Hans-Jochen Vogel (1926–2020) war so etwas wie der Vater von Neuperlach. Und ganz nebenbei war es ein Ausnahmepolitiker. Geehrt wurde Hans-Jochen Vogel aber mit einem Platz im Olympiapark in der Nähe des Olympiaturms. Dazu wurde ein Teil des bisherigen Coubertinplatzes umbenannt. Das ist natürlich angemessen, denn Vogel holte die Olympischen Spiele 1972 nach München.
Schlagwort: Straßennamen
Das heutige Thema ist die wohl maximal „perlachigste“ Straße überhaupt in München. Nur die Peralohstraße (Peraloh ist der alte Name für Perlach) kann da noch annähernd mithalten (auch von ihr wird später noch die Rede sein). Straßen führen oft dorthin, das sie bezeichnen, oder zumindest in ihre Richtung. Hier ist Letzteres der Fall. Man steuert also auf der Perlacher Straße zumindest in Richtung Perlach, wenngleich man den Stadtteil nicht erreicht. Die Perlacher Straße startet an der Tegernseeer Landstraße („Tela“) in Giesing (genauer Obergiesing) auf Höhe der Zehentbauernstraße und des Giesinger Grünspitz (eine 2.000 qm große Grünfläche, die früher von einem Autohändler genutzt wurde und heute eine Freifläche ist, auf der sich ein urbaner Garten befindet und auf der auch z.B. Flohmärkte stattfinden). Es geht weiter Richtung Südost über die Raintaler Straße und die Spixstraße/Herzogstandstraße.
Stockwerksiedlung Walchenseeplatz
Die Wohnanlage zwischen der Herzogstandstraße und Untersbergstraße des nördlichen Verlaufs der Perlacher Straße ist als Ensemble denkmalgeschützt. Ihr Name ist die „Stockwerksiedlung Walchenseeplatz“. Bild 1 zeigt das Eckhaus, das die südwestliche Ecke dieses Ensembles bildet.
Der Bayerische Denkmal-Atlas sagt zu der „Stockwerksiedlung Walchenseeplatz“:
Kunst in der Stockwerksiedlung Walchenseeplatz
An der Abzweigung Perlacher Straße/Rottacher Straße machen wir kurz Station, denn hier gibt es an einem Häusereck (auch dieses Haus ist Bestandteil der denkmalgeschützten „Stockwerksiedlung Walchenseeplatz“) Kunst in Gestalt einer Hauseck-Skulptur zu sehen. Ein Maurer mit Kelle und Ziegelstein übt sein Handwerk aus:
Auffällig ist die individuelle Gestaltung der Häuser mit verschiedenen Sgraffitomalereien oberhalb einiger Hauseingänge, wie auch der Bayerische Denkmal-Atlas kurz erwähnt hat. Eine davon ist hier zu sehen, wir sind kurz vor der Valeppstraße (und noch immer in der „Stockwerksiedlung Walchenseeplatz“):
Gaststätte „Schinken-Peter“ (früher: Gastwirtschaft zum Walchensee“)
Die Perlacher Straße führt weiter über die Valeppstraße. Am Eck ist die Gaststätte Schinken-Peter, an der wir kurz eine Pause einlegen. Es handelt sich um eine Gaststätte mit Biergarten, die früher „Gastwirtschaft zum Walchensee“ hieß und deren alter Name immer noch zu sehen ist (Bild 7). Auch dieses Haus ist der „Stockwerksiedlung Walchenseeplatz“ zuzurechnen. Die Gaststätte sagt über sich selbst:
Seit 31 Jahren ist der Schinken-Peter gepflegte und gelebte Tradition im Münchner Stadtteil Giesing. Er lockt mit kulinarischer Vielfalt aus der bayerischen Küch´ und zeitgemäßen Gerichten.
Der Rest der Straße
Es geht weiter über die Untersbergstraße zur Fockensteinstraße/Sinpertstraße. Der Verlauf der Perlacher Straße hat inzwischen ziemlich genau einer Ost-West-Richtung angenähert. An dieser Stelle findet sich die „Mittelschule an der Perlacher Straße“. Es geht weiter über die Trauchbergstraße. Wenige Meter weiter östlich macht die Straße einen Knick nach Norden bis zur Deisenhofener Straße. Dort endet sie.
Ein Tipp für Radfahrer – maximal perlachig nach Perlach
Wer auf besonders originelle (und dennoch praktische Art) von Giesing nach Perlach/Neuperlach kommen will, der kann dies mit maximal etymologisch perlachigem Anteil machen. Man startet an der Perlacher Straße und fährt sie bis zum Ende. Dort biegt man rechts ab in die Deisenhofener Straße, dann rechts in die Schwanseestraße, der man bis zur Ständlerstraße folgt. Nun ist man am Friedhof am Perlacher Forst und hat noch ein Perlach im Namen. Man biegt nun links in die Ständlerstraße ab und fährt an ihr entlang. Auf Höhe der Görzer Straße geht die Straße in eine Autostraße über und der Radweg knickt in einen Park nach rechts ab. Man folgt ihm, bis man zu einer Fußgängerbrücke kommt, die über die Autobahn A8 führt. Diese überquert man. Die Rampe auf der anderen Seite ist nur was für geübte Fahrer. Offiziell ist die Abfahrt verboten, es heißt schieben. Nun ist man auf der Peralohstraße – und damit bereits in Perlach –, die man geradeaus bis zum Ende befährt. Dabei kommt man auf der rechten Seite auch an dem alten Haus mit dem schönen Türmchen vorbei. Die Peralohstraße endet an der Ottobrunner Straße. Wenn man hier schließlich rechts abbiegt, ist man bereits kurz vor dem Perlacher Pfanzeltplatz.
In der umgekehrten Richtung funktioniert es ebenso. Den Abzweig zur Peralohstraße findet man auf der Ottobrunner Straße auf Höhe des „Edeka Linzmair“. Bei der Durchfahrt durch den erwähnten Park, welcher der Brücke folgt, muss man per Unterführung auf die andere Seite der Ständlerstraße wechseln.
Wie schon mehrfach berichtet, entsteht zwischen der Niederalmstraße und dem Graf-Zentrum auf dem Gelände des ehemaligen Kieswerks Piederstorfer ein neues Neuperlacher Quartier, das Alexisquartier. Es ist nach dem dort befindlichen Alexisweg benannt (der 1972 seinen Namen erhielt), der an der östlichen Grenze des Quartiers verläuft. Dieser beginnt an der Hippelstraße und führt am Bogenschießplatz vorbei bis zum Marieluise-Fleißer-Bogen (Handwerkerhof).
Wer aber ist Alexis? Zunächst einmal ist Alexis sowohl als weiblicher als auch als männlicher Vorname bekannt. Hier aber ist Alexis ein Nachname. Konkret handelt es sich um Willibald Alexis (* 29. Juni 1798 in Breslau; † 16. Dezember 1871 in Arnstadt).
„Alexis“ nur der Künstlername
Der Name Alexis ist dabei ein Künstlername. Eigentlich heißt er Georg Wilhelm Heinrich Häring. Um Witze über seinen Namen Häring zu vermeiden, übersetzte er diesen ins Lateinische (allec=Hering). Alexis wurde auch in einigen anderen Städten geehrt, so gibt es etwa in Arnstadt, Berlin sowie Brandenburg an der Havel eine Willibald-Alexis-Straße.
Sein Schaffen
Alexis war ein deutscher Schriftsteller, der als Begründer des realistischen historischen Romans in der deutschen Literatur gilt. Seine Romane hatten meist großen Erfolg. Sein erstes eigenes fiktionales Werk ist Die Treibjagd, ein satirisch-idyllische Epos, das 1820 erschien. Mit Walladmor veröffentlichte Alexis 1824 seinen ersten Roman. Dieser wurde – wie von ihm beabsichtigt – vielfach für eine Übersetzung eines Originalwerkes des schottischen Dichters Walter Scott gehalten, den Alexis verehrte. 1832 startete Alexis mit Cabanis die Reihe seiner sogenannten Vaterländischen Romane. In diesen beschreibt er die bedeutendsten Abschnitte der brandenburgisch-preußischen Geschichte vom 14. Jahrhundert bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Cabanis spielt dabei in Berlin zur Zeit Friedrichs des Großen.
Alexis hatte aber auch andere Tätigkeitsfelder. Er rief mehrere Lesegesellschaften ins Leben, betrieb Buchhandlungen, war Immobilienhändler und arbeitete als Theaterkritiker bei der Vossischen Zeitung.
Mehr Infos zu Willibald Alexis in der Wikipedia.
Mit dem Alfred-Neumann-Anger, einer Abzweigung an der Putzbrunner Straße in Neuperlach Mitte, ehrt München den berühmten Coverboy der Satirezeitschrift Mad.
Die vielleicht prominenteste Zahnlücke der Welt stand lange Zeit symbolisch für die Baulücke am Hanns-Seidel-Platz, denn Neuperlach hatte bis Ende der 2010er-Jahre keine Mitte.
Es ist schön, dass Straßen nicht nur Politikern und ernsten Schriftstellern gewidmet werden, sondern auch fiktiven Darstellern der Jugendkultur. Das war selbstverständlich nur ein Spaß. Gemeint ist natürlich der ernste Schriftsteller Alfred Neumann (* 1895; † 1952).
Es war einmal … Nein, den Stadtteil gibt es immer noch. Die Rede ist vom wohl märchenhaftesten Stadtteil Münchens: Waldperlach. Die Straßen heißen dort
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* gemeint ist das Marionetten-, Puppen- oder Kasperlspiel
** gemeint ist Robinson Crusoe
Damit hat ein Großteil der Straßen dort einen Bezug zu Märchen, Sagen und ähnlichen phantastischen Geschichten.
Eine Frage in einem Forum brachte mich heute auf das Thema. Woher kommen diese Namen? War hier ein Scherzbold am Werk? Ein Märchenpapst? Die Antwort, dass thematische Schwerpunkte die Orientierung vereinfachen würden und z.B. für Taxifahrer eine Erleichterung seien, geht etwas am Thema vorbei. Genauso gut könnte man auch Maler, Dichter, Gebirge oder Kräuterarten bemühen.
Tatsache aber ist, dass Perlach (inklusive Waldperlach und Fasangarten) 1930 nach München eingemeindet wurde. Bei Eingemeindungen stellt sich das Problem, dass leider dann ein paar Straßen Dubletten bilden. Zweimal „Marienplatz“ geht einfach nicht in München (ja, liebe Pasinger, ich weiß, ihr habt dennoch euren Marienplatz behalten). Also müssen jede Menge Straßen umbenannt wurde.
Laut einem Artikel auf der Webseite der Katholischen Gemeinde St. Michael mit St. Georg (Seite nicht mehr verfügbar) wurden nicht nur Dubletten entfernt, sondern alle an die Monarchie (die bekanntlich 1918 endete) erinnernden Straßennamen. Sehr detailreich ist hier WAPE Bürger IG und verrät folgende Namensanpassungen:
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Nicht alle der märchenhaften Namen sind aus der Umbenennung 1930 hervorgegangen. Auch bei neu gebauten Straßen wurde die Tradition teilweise fortgesetzt. Die Struwelpeterstraße etwa wurde erst 1953 errichtet.
Auffallend ist auch, dass einige neu gebaute Straßen einen Bezug zur germanischen Götter- und Sagenkultur bekamen, so der Asenweg und die Beowulfstraße. Auch weitere Waldperlacher Straßennamen haben indirekt mit Sagen zu tun, Friedrich Panzer etwa war unter anderem ein bayerischer Sagenforscher und wurde 1955 mit der Benennung einer Straße geehrt (Friedrich-Panzer-Weg).
Bis heute schwingt die Tradition in Waldperlach fort. Wer glaubt, die jüngeren Namensvergaben wären im kommunalpolitischen Kleinmief untergegangen, wird eines Besseren belehrt: 2000 etwa wurde eine Straße nach Klara Ziegler benannt, eine Schauspielerin, die als Deutschlands letzte Heldendarstellerin gilt und u.a. die Brunhild in den „Nibelungen“ spielte. Eine (noch unvollständige) Übersicht dieser Straßen zeigt diese Aufstellung:
Asenweg | Asen: nordische Bezeichnung der germanischen Götter |
Beowulfstraße | Beowulf (möglicherweise „Bienen-Wolf“): ein Held der Gauten aus dem gleichnamigen frühmittelalterlichen epischen Heldengedicht in angelsächsischen Stabreimen. |
Friedrich-Panzer-Weg | Bayerischer Sagenforscher |
Klara-Ziegler-Bogen | Deutschlands letzte Heldendarstellerin, spielte u.a. Brunhild in den „Nibelungen“ |
Maria-Nicklisch-Straße | Deutsche Schauspielerin. Spielte u.a. die Hexe in „Faust“ (Verfilmung; 1988). |
Peter-Lühr-Straße | Deutscher Schauspieler. Filmografie: „Der Mann, der zweimal leben wollte“, „Hunde, wollt ihr ewig leben“, „Unheimliche Geschichten“ u.v.m. |
Der Bezug zu den Nibelungen in Gestalt des Klara-Ziegler-Bogens passt gut zur Straßenvergabe in der angrenzenden Gemeinde Neubiberg:
Fortsetzung in Neubiberg: Hier findet der sagenhafte Stadtteil nahtlos seine Fortsetzung in Gestalt der Nibelungensage. Die Straßen heißen hier Brunhildenstraße, Nibelungenstraße, Rheingoldstraße, Siegfriedstraße, Walkürenstraße und Wotanstraße.
Die Frage nach dem Grund für den Hang zu den Märchen und Sagen wurde aber immer noch nicht zufriedenstellend beantwortet. Möglicherweise war Waldperlach einfach immer schon märchenhaft. Und wenn nicht, ist es das durch die Straßennamen vielleicht inzwischen geworden. Aber vielleicht weiß ja ein Leser mehr … 2012 feierte Waldperlach übrigens 100-Jähriges. 100 Jahre, das ist der Zeitraum, den Dornröschen schlafen sollte.
Ist Waldperlach mystisch?
Klar, Straßennamen alleine machen aus einem Ort noch lange nichts Mystisches. Viele werden nun enttäuscht sein, denn der Märchenbezug spiegelt sich tatsächlich nur in den Straßennamen wider. Zumindest zwei Steinkreise verleihen dem Stadtteil einen gewissen Flair, der in die mystische Richtung geht: Mini-Stonehenge in Waldperlach.
In der Nähe von Waldperlach gibt es zudem eine Mariengrotte: Mini-Lourdes im Truderinger Wald
Die folgenden Bilder zeigen, wie es in Waldperlach aussieht (oder aussah, wenn wir das erste Bild einbeziehen):
Biotop (Rothsee)
Auch das ist Waldperlach: Der Baggersee (Rothsee) mit dem Biotop ist ein Überbleibsel des früheren Kieswerks Fritz Roth und liegt auf Waldperlacher Grund.