


Es war einmal … Nein, den Stadtteil gibt es immer noch. Die Rede ist vom wohl märchenhaftesten Stadtteil Münchens: Waldperlach. Die Straßen heißen dort
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* gemeint ist das Marionetten-, Puppen- oder Kasperlspiel
** gemeint ist Robinson Crusoe


Damit hat ein Großteil der Straßen dort einen Bezug zu Märchen, Sagen und ähnlichen phantastischen Geschichten.
Eine Frage in einem Forum brachte mich heute auf das Thema. Woher kommen diese Namen? War hier ein Scherzbold am Werk? Ein Märchenpapst? Die Antwort, dass thematische Schwerpunkte die Orientierung vereinfachen würden und z.B. für Taxifahrer eine Erleichterung seien, geht etwas am Thema vorbei. Genauso gut könnte man auch Maler, Dichter, Gebirge oder Kräuterarten bemühen.
Tatsache aber ist, dass Perlach (inklusive Waldperlach und Fasangarten) 1930 nach München eingemeindet wurde. Bei Eingemeindungen stellt sich das Problem, dass leider dann ein paar Straßen Dubletten bilden. Zweimal „Marienplatz“ geht einfach nicht in München (ja, liebe Pasinger, ich weiß, ihr habt dennoch euren Marienplatz behalten). Also müssen jede Menge Straßen umbenannt wurde.
Laut einem Artikel auf der Webseite der Katholischen Gemeinde St. Michael mit St. Georg (Seite nicht mehr verfügbar) wurden nicht nur Dubletten entfernt, sondern alle an die Monarchie (die bekanntlich 1918 endete) erinnernden Straßennamen. Sehr detailreich ist hier WAPE Bürger IG und verrät folgende Namensanpassungen:
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Nicht alle der märchenhaften Namen sind aus der Umbenennung 1930 hervorgegangen. Auch bei neu gebauten Straßen wurde die Tradition teilweise fortgesetzt. Die Struwelpeterstraße etwa wurde erst 1953 errichtet.

Auffallend ist auch, dass einige neu gebaute Straßen einen Bezug zur germanischen Götter- und Sagenkultur bekamen, so der Asenweg und die Beowulfstraße. Auch weitere Waldperlacher Straßennamen haben indirekt mit Sagen zu tun, Friedrich Panzer etwa war unter anderem ein bayerischer Sagenforscher und wurde 1955 mit der Benennung einer Straße geehrt (Friedrich-Panzer-Weg).
Bis heute schwingt die Tradition in Waldperlach fort. Wer glaubt, die jüngeren Namensvergaben wären im kommunalpolitischen Kleinmief untergegangen, wird eines Besseren belehrt: 2000 etwa wurde eine Straße nach Klara Ziegler benannt, eine Schauspielerin, die als Deutschlands letzte Heldendarstellerin gilt und u.a. die Brunhild in den „Nibelungen“ spielte. Eine (noch unvollständige) Übersicht dieser Straßen zeigt diese Aufstellung:
Asenweg | Asen: nordische Bezeichnung der germanischen Götter |
Beowulfstraße | Beowulf (möglicherweise „Bienen-Wolf“): ein Held der Gauten aus dem gleichnamigen frühmittelalterlichen epischen Heldengedicht in angelsächsischen Stabreimen. |
Friedrich-Panzer-Weg | Bayerischer Sagenforscher |
Klara-Ziegler-Bogen | Deutschlands letzte Heldendarstellerin, spielte u.a. Brunhild in den „Nibelungen“ |
Maria-Nicklisch-Straße | Deutsche Schauspielerin. Spielte u.a. die Hexe in „Faust“ (Verfilmung; 1988). |
Peter-Lühr-Straße | Deutscher Schauspieler. Filmografie: „Der Mann, der zweimal leben wollte“, „Hunde, wollt ihr ewig leben“, „Unheimliche Geschichten“ u.v.m. |
Der Bezug zu den Nibelungen in Gestalt des Klara-Ziegler-Bogens passt gut zur Straßenvergabe in der angrenzenden Gemeinde Neubiberg:
Fortsetzung in Neubiberg: Hier findet der sagenhafte Stadtteil nahtlos seine Fortsetzung in Gestalt der Nibelungensage. Die Straßen heißen hier Brunhildenstraße, Nibelungenstraße, Rheingoldstraße, Siegfriedstraße, Walkürenstraße und Wotanstraße.
Die Frage nach dem Grund für den Hang zu den Märchen und Sagen wurde aber immer noch nicht zufriedenstellend beantwortet. Möglicherweise war Waldperlach einfach immer schon märchenhaft. Und wenn nicht, ist es das durch die Straßennamen vielleicht inzwischen geworden. Aber vielleicht weiß ja ein Leser mehr … 2012 feierte Waldperlach übrigens 100-Jähriges. 100 Jahre, das ist der Zeitraum, den Dornröschen schlafen sollte.
Ist Waldperlach mystisch?
Klar, Straßennamen alleine machen aus einem Ort noch lange nichts Mystisches. Viele werden nun enttäuscht sein, denn der Märchenbezug spiegelt sich tatsächlich nur in den Straßennamen wider. Zumindest zwei Steinkreise verleihen dem Stadtteil einen gewissen Flair, der in die mystische Richtung geht: Mini-Stonehenge in Waldperlach.
In der Nähe von Waldperlach gibt es zudem eine Mariengrotte: Mini-Lourdes im Truderinger Wald
Die folgenden Bilder zeigen, wie es in Waldperlach aussieht (oder aussah, wenn wir das erste Bild einbeziehen):





Biotop (Rothsee)
Auch das ist Waldperlach: Der Baggersee (Rothsee) mit dem Biotop ist ein Überbleibsel des früheren Kieswerks Fritz Roth und liegt auf Waldperlacher Grund.

7 Antworten auf „Erzähl doch keine Märchen! (Waldperlach)“
Lebt der Schöpfer einer dieser Märchenfiguren, Otfried Preußler, nicht sogar in Waldperlach?
Fast. Otfried Preußler lebt zwar am Rübezahlweg, aber in Haidholzen bei Rosenheim.
Lebte. Ruhe in Frieden, Otfried Preussler!
Schöner Artikel, sehr interessant. Lob!
Ein ausgezeichneter Artikel!
Ich kann mich noch gut erinnern, als wir in der Grundschule (Karl-Marx-Ring) vor einem Schul-Theaterspiel -als Praeludium sozusagen- eine kleine Exkursion durch den märchenhaften Stadtteil mit jenen Strassenzügen unternommen haben! Das hat das kindliche Gemüt schon mal gut in Stimmung versetzt.
Eine gute Idee war die Umbenennung auf jeden Fall, es verstärkt noch dieses gewisse Flair, welches Waldperlach (bei aller Liebe zu Neuperlach!) einfach innehat.
Gut recherschiert! Für Bekannte von mir die seit 50 Jahren in der Schneewittchenstraße wohnen war der frühere Name auch eine neue Info – sie hätten den alten lieber gehant 😉
In diesem Artikel werden die Märchennamen auch erwähnt:
PI 24 Perlach: Das Image ist das größte Problem