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Die Serbisch-Orthodoxe Kirche am Wohnring

Serbisch-Orthodoxe Kirche
Bild 1: Serbisch-Orthodoxe Kirche „Heiliger Märtyrerkönig Jovan Vladimir“ (16.02.2017) © Thomas Irlbeck

Unser heutiger mystischer Ort ist ein sehr auffälliges, für deutsche Augen eher ungewöhnliches Gebäude. Kein Wunder, denn katholische Kirchen haben in München bekanntlich einen höheren Verbreitungsgrad, und hier sehen wir ja schließlich eine Serbisch-Orthodoxe Kirche. Sie ist die einzige Serbisch-Orthodoxe Kirche in München. Ihr Name ist Heiliger Märtyrerkönig Jovan Vladimir. Sie liegt fast unmittelbar vor dem Neuperlacher Wohnring, also an einer der bekanntesten Wohnanlagen in Neuperlach.

Dennoch werden viele Neuperlacher diese Kirche noch nie gesehen haben. Das liegt daran, dass sie von der viel befahrenen Putzbrunner Straße aus nur schwer einsehbar ist – und von anderen Straßen (Schumacherring vor dem Wohnring etwa) auch kaum. Man muss von dort ein paar Meter am Hans-Fried-Weg laufen, um die Kirche sehen zu können. Übrigens grenzt an die Kirche unmittelbar der Friedhof Perlach, der auch nicht besonders bekannt ist. Wie auch der Friedhof Perlach liegt die Kirche offiziell haarscharf noch in Perlach, aber der sehr nahe Wohnring erzeugt Satellitenstadt-Atmosphäre.

Serbisch-Orthodoxe Kirche
Bild 2 (16.02.2017) © Thomas Irlbeck

Geschichte und Daten zur Kirche „Heiliger Märtyrerkönig Jovan Vladimir“

Die Serbisch-Orthodoxe Kirchengemeinde in München wurde bereits 1946 gegründet. Unter den ersten Mitgliedern waren frühere serbische Kriegsgefangene. Der Bau der Kirche und des Kirchenzentrums an der Putzbrunner Straße fand aber erst 1994 (Kirchenzentrum vor der Kirche, auf den Bildern nicht zu sehen, siehe Umgebungskarte) bzw. 1996 (Kirchengebäude) statt. Bis dahin wurden für Gottesdienste und andere Aktivitäten provisorisch Räume in Kirchen und Wohnungen angemietet. Heute betreut die Gemeinde rund 25.000 orthodoxe Serben. Die Adresse von Kirchenzentrum und Kirche ist Putzbrunner Straße 49.

Quelle: Die Serbisch-Orthodoxe Kirchengemeinde in München

Die Serbisch-Orthodoxe Kirche

Rund 80 Prozent der elf Millionen Serben weltweit bekennen sich zur orthodoxen Kirche. Mehr unter dem Wikipedia-Artikel Serbisch-Orthodoxe Kirche.

Serbisch-Orthodoxe Kirche
Bild 3 (16.02.2017) © Thomas Irlbeck
Serbisch-Orthodoxe Kirche
Bild 4 (16.02.2017) © Thomas Irlbeck
Serbisch-Orthodoxe Kirche Map
Bild 5: Umgebungskarte der Serbisch-Orthodoxe Kirche. Es ist zu erahnen, dass die Kirche von der Hauptstraße (Putzbrunner Straße) kaum einsehbar ist. Ganz oben ist übrigens der Wohnring. Quelle: OpenStreetMap, Lizenz: Open Database License 1.0

Heiliger Märtyrerkönig Jovan Vladimir

Jovan Vladimir (serb. Јован Владимир; bulg. Иван Владимир Ivan Vladimir; deutsch auch Johannes Wladimir; * 10. Jahrhundert; † 22. 05.1016) war laut Wikipedia Herrscher von Duklja, dem bedeutendsten serbischen Fürstentum seiner Zeit. Er wird von der Serbisch-Orthodoxen Kirche als Märtyrer und nationale Symbolfigur verehrt. Mehr unter dem Wikipedia-Artikel Jovan Vladimir.

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Architektur Bilder Historisches

Das Haus am alten Kieswerk Fritz Roth

Wohnhaus Kieswerk Fritz Roth
Wohnhaus Kieswerk Fritz Roth (01.11.2016) © Thomas Irlbeck
Wohnhaus Kieswerk Fritz Roth
Wohnhaus Kieswerk Fritz Roth (01.11.2016) © Thomas Irlbeck

Unser heutiges Objekt befindet sich an der Einfahrt zur ehemaligen Kiesgrube Fritz Roth. Diese liegt gleich hinter dem Graf-Zentrum, etwas versteckt im Truderinger Wald. Das Gebiet gehört bereits zu Waldperlach.

Die Kiesgrube war über 40 Jahre in Betrieb und wurde mehrmals nach Osten vergrößert, Anfang der 1980er-Jahre kam dann das Aus. Heute ist das Gebiet der Kiesgrube mit dem Baggersee, dem Rothsee an der östlichen Grenze, als wertvolles Biotop anerkannt. Viele Neuperlacher und Waldperlacher gehen hier gerne spazieren. Wem der Ostpark zu künstlich erscheint, findet hier mehr Natur, auch wenn die Kiesgrube letztendlich ja auch etwas künstlich Geschaffenes ist.

In der näheren Umgebung des Hauses sind Technikrelikte des alten und längst abgerissenen Quetschwerks aufgestellt (imposante Bilder des alten Quetschwerks finden sich hier), es ist damit so eine Art Freilichtmuseum.

Wohnhaus Kieswerk Fritz Roth
Wohnhaus Kieswerk Fritz Roth (01.11.2016) © Thomas Irlbeck

Über das Haus selbst ist wenig bekannt. Es wird als Wohnhaus genutzt, ist also nicht dem Verfall preisgegeben. Laut Bayerischem Denkmal-Atlas besteht für das Haus kein Denkmalschutz. Nur das Quetschwerk Mächler, das ein paar Meter weiter westlich am Waldrand steht und noch in Betrieb ist, ist denkmalgeschützt.

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Bilder Einkaufen/Ladenzentren

Was den Neuperlachern ihr pep, ist den Ottobrunnern ihr IsarCenter

IsarCenter
Bild 1 (07.05.2016) © Thomas Irlbeck

In Neuperlach gibt es das pep, die Ottobrunner haben dafür ihr IsarCenter. Zunächst: Der Name IsarCenter wirkt etwas unpassend. Die Isar fließt nicht durch Ottobrunn und ist rund acht Kilometer vom IsarCenter entfernt. Aber der Isarweg ist ganz in der Nähe sowie eine Reihe weiterer Straßen, die nach Flüssen benannt sind. Also hat man doch einen Grund. Außerdem sind Namen ohnehin Schall und Rauch. Auf das Innere kommt es an.

Im IsarCenter ist alles etwas kleiner, aber es handelt sich immerhin um ein klimatisiertes Einkaufszentrum, das bereits 1971 eröffnet wurde. Parken kann man kostenlos, was im pep ja Vergangenheit ist. Über 20 Shops sind im IsarCenter untergebracht, was natürlich kein Vergleich zu den 125 Shops des pep ist. Geöffnet ist das IsarCenter Montag bis Samstag bis 20 Uhr.

Laut offizieller Website sind folgende Shops im IsarCenter beheimatet:

  • Backstube Wünsche
  • Deichmann Schuhe
  • Drogeriemarkt Müller
  • Edeka E-Center
  • Edeka Getränkemarkt
  • Europcar
  • Handy Shop
  • Margit Richter Dessous & Bademoden
  • Miah’s Fashion – ital. Mode & Kleinkinderwaren
  • Mister Minit
  • My Gold – Schmuck
  • Schreibwaren, Lotto / Toto Schlötke
  • Super Clean Reinigung
  • Traditional Taekwon-Do Center Ottobrunn
  • TUI Reisecenter
  • Vinzenzmurr, Imbiss
  • Vitalia Reformhaus

Zu finden ist das IsarCenter an der Unterhachinger Straße 28.

IsarCenter
Bild 2 (07.05.2016) © Thomas Irlbeck
IsarCenter
Bild 3 (07.05.2016) © Thomas Irlbeck
IsarCenter
Bild 4 (07.05.2016) © Thomas Irlbeck
IsarCenter
Bild 5 (07.05.2016) © Thomas Irlbeck
IsarCenter
Bild 6 (07.05.2016) © Thomas Irlbeck
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Architektur Bilder Historisches Kunst und Denkmäler

Das Haus an der alten Trambahnwendeschleife Ramersdorf

Wohnhaus Rosenheimer Straße/Wilramstraße
Wohnanlage in Ramersdorf (03.10.2015) © Thomas Irlbeck

Heute führt uns die Reise zu dieser herrlichen Mietshauswohnanlage an der Rosenheimer Straße, Ecke Wilramstraße. Unmittelbar in der Nähe (vom Fotostandpunkt in Richtung links unten) befand sich die alte Trambahnstation „Ramersdorf“ mit Wendeanlage. Hier führte auch 1973 bis 1980 die Umleitungsstrecke der Tram 24 nach Neuperlach vorbei (diese bog vom Fotostandpunkt nach rechts unten ab).

Wohnhaus Rosenheimer Straße/Wilramstraße
Der Bau ist ein Blickfang. Der relativ große Abstand zu Nachbarhäusern lässt ihn aus dieser Perspektive wie ein Schloss erscheinen (03.10.2015) © Thomas Irlbeck

Die Wohnanlage wurde 1925 bis 1927 von Eduard Thon erbaut und steht unter Denkmalschutz. Der Bayerische Denkmalatlas bezeichnet den Wohnkomplex als „viergeschossigen Satteldachbau, reich gegliedert mit Zwerchgiebeln, Dachgauben und Risaliten, Eckausbildung zur Wilramstraße mit polygonalen Eckrisaliten, reduziert historisierend“. An der Rosenheimer Straße, Ecke Wageneggerstraße, findet sich eine gleichartige Wohnanlage.

Wohnhaus Rosenheimer Straße/Wilramstraße
Detail polygonale Eckrisaliten (03.10.2015) © Thomas Irlbeck

Gartenschau 1934

Südansicht von 1934 während des Baues der Gartenschau.

Wohnhaus Rosenheimer Straße/Wilramstraße
Aus der Fotosammlung von Reinhard Veit
Wohnhaus Rosenheimer Straße/Wilramstraße
Aus der Fotosammlung von Reinhard Veit
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Architektur Baustellen Bilder Historisches Kunst und Denkmäler Sanierung/Abriss/Bau Sprache/Wortherkunft Video

Der letzte Brannt – die Brennerei in Putzbrunn ist nicht mehr

Branntweinbrennerei Putzbtrunn
Bild 1: Brañtwein Breñerei (Februar 2010). Foto: Roman Ludwig

Wer die Nachbargemeinde Putzbrunn von früher noch kennt, dem ist das Gebäude ein Begriff: die Brañtwein Breñerei Putzbrunn e.G., die sehr prominent an der Hauptstraße des Orts lag (genauer Münchner Straße/Übergang Glonner Straße) – übrigens gegenüber dem Haus, das ich wegen der Ähnlichkeit mit dem Extraterrestischen gerne E.T.-Hochhaus nenne. Die Bushaltestelle, die sich dort befindet, heißt bezeichnenderweise „Brennerei“. Oft geben so markante Gebäude ganzen Ortsteilen ihren Namen (wie die Michaeliburg etwa).

Branntweinbrennerei Putzbtrunn
Bild 2: Brañtwein Breñerei (Februar 2010). Foto: Roman Ludwig

Im August 2014 wurde die Brañtwein Breñerei abgerissen (Bild 3),  der Schornstein stand noch kurze Zeit (Bild 4).

Branntweinbrennerei Putzbtrunn
Bild 3: Abrissarbeiten. Vielen Dank an die Leserin, die das Foto einsandte! Von ihr stammt auch das Video weiter unten (30.07.2014)
Branntweinbrennerei Putzbtrunn
Bild 4: Nur der Schornstein steht noch (02.08.2014) ©
Thomas Irlbeck

Der Neubau

Das Gebäude hatte nach meinem Empfinden durchaus Charme, war nicht unästhetisch. Das Problem ist, es stand nicht unter Denkmalschutz. Laut Wikipedia sind in Putzbrunn nur die Kirche St. Stephan und das Kleinbauernhaus denkmalgeschützt.

Da ich das Gebäude der Brañtwein Breñerei nicht näher kenne, möchte ich mir kein Urteil anmaßen, ob der Abriss sinnvoll oder notwendig war, ob man nicht aus dem Gebäude durch einen Umbau noch etwas hätte machen können. Aber es ist dennoch schade, da ein Identifikationsmerkmal verlorengegangen ist.

Gebäude geben Orten ein Gesicht, sie liefern Halt und Orientierung. Zu viel Veränderung lässt Orte fremd werden, zumal oft Einheitsarchitektur nachkommt, die überall in Deutschland und darüber hinaus stehen könnte.

Immerhin hat die Gemeinde beschlossen, das Nachfolgegebäude, das als Wohnhaus dienen wird, an der alten Brennerei zu orientieren. So bleibt der Eingang des Ortsbildes zumindest einigermaßen erhalten. Der Betrachter mag an den folgenden Bildern entscheiden, ob das gelungen ist:

Branntweinbrennerei Putzbtrunn
Bild 5: Branntweinbrennerei Putzbrunn (10.04.2017) © Thomas Irlbeck
Branntweinbrennerei Putzbtrunn
Bild 6: Branntweinbrennerei Putzbrunn (10.04.2017) © Thomas Irlbeck

Was mir gar nicht gefällt, ist, dass die Klinkerfassade nur in der Front beibehalten wurde. Die Seite des Hauses (Garagenbereich) ist dagegen Weiß gestrichen. Dass das Haus breiter als der alte Bau geworden ist und der zusätzliche Teil in Weiß weitergffeührt wird, erhält zumindest optisch die früheren Proportionen.

Brañtwein Breñerei – Schreibfehler?

Branntweinbrennerei Putzbtrunn
Detailansicht: Keine Rechtschreibfehler!

Auf dem Firmenschild fällt auf, dass Branntwein und Brennerei mit nur einem „n“ geschrieben sind, was man als klaren Rechtschreibfehler deuten könnte. Wenn man aber genauer hinsieht, ist ein Strich auf dem „n“ (ñ). Diese heute nicht mehr sonderlich verbreitete Kennzeichnungsform (in Gestalt eines

Man nennt diese Linien auch Nasal– oder Reduplikationsstriche. Verdoppelt werden können mit dem Nasal-/Reduplikationsstrich (Nasal bedeutet schlicht Nasenlaut) entsprechend nur die Buchstaben „m“ und „n“, da diese – etwas vereinfacht ausgedrückt – die einzigen Nasenlaute sind.

Hinweis: Tilde (~) oder waagrechte Linie (-)?

Korrekt ist als Nasal-/Reduplikationsstrich im Deutschen eigentlich nur eine waagrechte gerade Linie über dem „n“ oder „m“. Der Webbrowser ist dazu in der Lage, dies darzustellen, aber es kann Probleme geben. Daher wird hier eine Tilde verwendet (ñ), das ist die spanische Variante. Aber ein Test: n̅ . Sehen Sie die korrekte Form?

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Ärgerliches/Nerviges Bilder Film, TV, Medien Hausverwaltung Skurril/Satire/Nonsens

Finsterworld – ein bitterböser Film voller Lichtblicke

Eine unschöne Vorgeschichte

Karl-Marx-Ring 52–62, Spielplatz
Hier an dieser Stelle wurde 2012 gedreht. Das Klettergerüst und die Wohnanlage im Hintergrund sind im Film zu sehen (23.07.2014) © Thomas Irlbeck

2012 fanden in meiner Wohnanlage Dreharbeiten zu dem Kinofilm Finsterworld statt. Während der Arbeiten kam es zu Einschränkungen, die einige Bewohner als Belästigung empfanden. Der Durchgang über den Nordweg wurde immer wieder unterbrochen. Zeitweise durften die Bewohner nicht am eigenen Fenster stehen, verständlich, weil es im späteren Film ja reichlich seltsam aussehen würde, wenn eine Menge Leute aus dem Fenster schauen.

Einige Bewohner wollten so etwas kein weiteres Mal erleben. Als dann noch bekannt wurde, dass man von der Produktionsgesellschaft laut Aussage der Hausverwalterin kein Honorar als Entschädigung für die Unannehmlichkeiten bekommen habe, kochte bei einigen die Wut hoch. Schlimmer: Einige glaubten der Verwalterin nicht und vermuteten, sie habe das Geld in die eigene Tasche gesteckt. Beweise dafür gibt es keine.

„Ich schwöre …“ – Eid beim Amtsgericht und das ist kein Film …

Mit einem Antrag auf der Eigentümerversammlung sollte zweierlei erreicht werden: Erstens: Es soll nie wieder Dreharbeiten in der Wohnanlage geben – unabhängig davon, ob mit oder ohne Honorar. Zweitens: Die Verwalterin legt auf eigene Kosten einen Eid beim Amtsgericht München ab, dass sie kein Honorar erhalten habe.

Zu meinem Erstaunen wurde der Antrag in allen Bestandteilen zugelassen, also auch der Eid beim Amtsgericht. Die Verwalterin wagte die Flucht nach vorne. Sie habe sich nichts vorzuwerfen, also könne sie das auch unter Eid aussagen. Bei der Abstimmung erhielt der Antrag dann eine große Mehrheit. Das ewige Drehverbot und auch der abzuleistende Eid wurden als Gesamtpaket durchgewunken.

Ich finde so etwas spießig. Natürlich gibt es bei Dreharbeiten immer Einschränkungen und es entstehen auch Schäden, für deren Beseitigung das Honorar kaum ausreicht. Aber ich habe dennoch als einer der wenigen gegen den Antrag gestimmt. Wenn in Zukunft Honorare gezahlt würden, hätte ich mir durchaus erneute Dreharbeiten vorstellen können. Schon einmal, weil es mir Freude macht, meine Wohnanlage später in einem Spielfilm zu sehen.

Der Film

Finsterworld, eine deutsche Produktion, kommt zunächst als typischer Episodenfilm daher. Man sieht in wechselnden Szenen Menschen, die an verschiedenen Plätzen leben und arbeiten. Ein Fußpfleger, ein Polizist, Schüler einer Privatschule, eine Regisseurin, eine alte Dame im Altenheim, ein Einsiedler, um nur einige zu nennen. Erst nach und nach kristallisiert sich heraus, dass die Leute miteinander verbunden sind – weil sie eng verwandt sind oder anderweitig zusammengehören.

Das Faszinierende aber ist, dass hinter der spießigen Fassade gewaltige menschliche Abgründe und Perversionen stecken, die dem Zuschauer in einem dramaturgischen Spannungsablauf mit bitterbösen Szenen präsentiert werden. Manchmal ist der Film absolut und fast enttäuschend vorhersehbar, oft wird der Zuschauer aber mit höchst überraschenden Wendungen konfrontiert. Die meisten Gags sind so gelungen, dass es unangemessen wäre, sie hier zu verraten. Nur eines soll gesagt werden: Die unrühmliche deutsche Geschichte unter Adolf Nazi und typische deutsche Klischees spielen eine zentrale Rolle. Einige der vorgetragenen Thesen sind geradezu köstlich und wie immer steckt in jeder Satire auch eine dynamisch große Portion Wahrheit.

Negativ ist mir aufgefallen, dass im Film laufend geraucht wird. Rauchen wird als Normalität dargestellt, auch die Schüler qualmen wie Schlöte und erhalten sogar von Erwachsenen Zigaretten angeboten. In einer Szene in einer Tankstelle gibt es ein riesiges überbreites Regal, in dem klar erkennbar Zigaretten fast nur einer Marke zu sehen sind. Offenbar wurde hier massives Product Placement betrieben.

Finsterworld ist inzwischen als DVD, Blu-ray und als Streaming erhältlich.

Infos kompakt

Produktionsjahr: 2013
Regie: Frauke Finsterwalder
Drehbuch: Christian Krach
Darsteller: Ronald Zehrfeld, Sandra Hüller, Michael Maertens, Margit Carstensen, Corinna Harfouch
Spieldauer: 91 Minuten
FSK 12

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Architektur Bilder Sanierung/Abriss/Bau

Studentenwohnheim „Home Base“ ersetzt Bürohaus am Peschelanger

Home Base
Geplantes Studentenwohnheim Home Base. Vom Karl-Marx-Ring aus gesehen. Zur Orientierung: Rechts ist der Peschelanger, hinter dem Haus die Jet-Tankstelle © wob Immobilien

Wie bereits kurz berichtet, wird das Bürohaus am Peschelanger 3, in dem sich derzeit noch die Münchner Bank befindet, abgerissen und durch ein Studentenwohnheim mit 141 Appartements ersetzt, das die wob Immobilien errichtet. Einen Namen hat das Haus auch schon: Home Base – Dein Zuhause in München und auch eine eigene Website: http://www.homebase-muenchen.de.

Home Base wird über acht Geschosse verfügen und aus zwei Flügeln bestehen, von denen der größere terrassenförmig angelegt ist. Eine Besonderheit sind die beiden großen Dachterrassen, die über die gesamte Dachfläche reichen und begrünte Aufenthaltsflächen bieten.

Bürohaus Peschelanger 3
Wird abgerissen: Bürohaus Peschelanger 3 (19.07.2014) © Thomas Irlbeck

Fast schon spektakulär ist ein auf der Dachterrasse integrierter Multifunktions-Sportplatz (folgendes Bild) auf dem zweiten, niedrigeren Flügel. Ein hoher Zaun verhindert, dass allzu viele Bälle verlorengehen. Die Dachterrassen und der Sportplatz werden allen Home Base-Bewohnern zugänglich sein. Der Innenhof von Home Base wird als Gartenanlage ausgeführt, im Erdgeschoss ist zusätzlich ein Kindergarten vorgesehen. Auch die Münchner Bank kehrt ins neue Gebäude zurück.

Home Base
Home Base, so wie es die Spatzen sehen werden: Links der Peschelanger, rechts der Karl-Marx-Ring. Im Erdgeschoss soll ein Kindergarten entstehen, die an den begrünten Innenhof anschließt. Die Kreuzung oben ist eine Ungenauigkeit, hier sollte nur eine Einmündung zu sehen sein. Zur Orientierung. Die Jet-Tankstelle wäre rechts unten zu sehen, wenn der Ausschnitt größer wäre © wob Immobilien
Home Base mit dem Innenhof. Der Peschelanger verläuft hier links hinter dem Haus, der Karl-Marx-Ring rechts. Erneut wäre die Jet-Tankstelle ganz rechts zu finden © wob Immobilien

Der Abriss des Bürohauses soll bereits Anfang bis Mitte September 2014 beginnen. Home Base könnte dann schätzungsweise 2016 bezugsfertig sein.

Knapper Wohnraum in München – gerade für Studierende

In München fehlt Wohnraum wie in keiner anderen Stadt. Daher ist der Gedanke, ganz oder weitgehend leer stehende Bürogebäude durch Wohngebäude zu ersetzen, naheliegend. Speziell für Studierende ist es sehr schwer, eine bezahlbare Unterkunft zu finden.

Die Appartements werden zwischen 21 m² und 27 m² groß sein. Dass in München die Immobilienblase platzt, gilt in den nächsten 20 Jahren fast ausgeschlossen, zumal die Einwohnerzahlen Münchens weiter beständig nach oben gehen werden. Investoren müssen also nicht fürchten, dass sie keine Mieter finden.

Lage

Ich wurde bereits mehrfach darauf angesprochen, ein Studentenwohnheim wäre in Neuperlach doch wenig sinnvoll, da die Universitäten und Hochschulen ja in der Stadtmitte oder noch weiter entfernt seien. Letzteres ist zwar richtig, aber die U-Bahnstation Quiddestraße ist nur rund zehn Gehminuten entfernt. In knapp 15 Minuten ist man mit der Unterirdischen in der Stadtmitte. Damit lässt sich etwa die Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in rund einer halben Stunde erreichen, von Haustür zu Haustür versteht sich. Bei einer Vielzahl alternativer Unterkünfte dürfte das nicht so schnell gehen, selbst wenn sie zentraler liegen.

Jeder Neuperlacher weiß, dass sein Stadtteil besser als sein Ruf ist, und so lebt es sich hier sehr gut. Zum Fahrradfahren ist sehr viel Platz, es gibt sehr viele Grünflächen, der Truderinger Wald ist gleich um die Ecke, das beliebte Einkaufszentrum pep ist in ca. 15 Gehminuten zu erreichen (mit dem Rad oder der Ringbuslinie 197 geht es noch schneller), ebenso der Ostpark. Waren für den täglichen Gebrauch finden sich im Marx-Zentrum, einem Ladenzentrum, das direkt angrenzt. Zwei Supermärkte (Rewe und Penny), das Minikaufhaus Woolworth, ein Bäcker und weitere Läden machen so manchen Weg zum pep überflüssig.

Architektur und Ausstattung

Home Base
Appartement Typ A (23,27 m² bis 26,63 m²)
Home Base
Appartement Typ B (barrierefrei; 21,66 m² bis 21,76 m²)

Das Haus ist einem mediterranen Terrassenhang nachempfunden und schließt damit vom Stil her an die progressiveren Bauten an, die sich in Neuperlach Ost befinden. Die stufenförmige Anordnung und weitere Abstufungen, die mit der strengen Quaderform des ursprünglichen Neuperlach Nord brechen, lassen den Bau nicht so hoch und mächtig erscheinen, obwohl er ja auch auf immerhin acht Geschosse (also sieben Stockwerke) kommt.

Alle Fenster sind dreifachverglast und verfügen über Rollläden. Es wird eine sehr gute Energieeffizienz erreicht (KfW-Effizienzhaus 70 nach EnEV 2014).

Neben den erwähnten beiden Gemeinschaftsdachterrassen sind noch weitere Terrassen vorgesehen. Ein Highlight: In jedem Apartment ist eine eigene Loggia integriert.

Home Base
Appartement Typ C (21,18 m² bis 21,96 m²)

Die Küchen sind standardmäßig bereits mit Elektrogeräten und Granitarbeitsplatten ausgestattet.

Die Bäder verfügen über bodengleiche Duschen oder niedrige Duschtassen und Handtuchheizkörper. Die Böden des Wohnbereichs sind in Holzoptik ausgeführt.

Ein absperrbarer Spind und ein Radstellplatz (jeweils im Keller) sind auch inklusive.

Es gibt drei Appartement-Typen: A, B und C (siehe Abbildungen), wobei Typ B barrierefrei ist.

Noch ein Hinweis: Alle Angaben zum Bau sind unter Vorbehalt, es kann – wie üblich – noch Änderungen geben.

Ansonsten kann es heißen: Ich freue mich auf die Studierenden, die hoffentlich auch den Stadtteil Neuperlach zu schätzen lernen werden!

Abschied vom alten Bürohaus am Peschelanger 3

Es ist ein Novum, denn noch die wurde in Neuperlach Nordost ein Gebäude abgerissen, sieht man einmal von dem Fertighaus-Flachbau Sechseck am Friedrich-Engels-Bogen ab, das bis 2009 durch ein Pflegeheim ersetzt wurde. Es ist schade um den nicht uneleganten fünfgeschossigen Bau, der mit seiner einheitlichen braunen Fassade und den umlaufenden Balkonen durchaus ein Blickfang war.

Früher waren hier einmal ein Rechenzentrum untergebracht, lange Zeit auch die Deutschland-Zentrale von Burger King. Die Zugspitz-Apotheke war von Beginn an eine feste Einrichtung in dem Haus. Sie schloss bereits zum 1. Januar 2014 ihre Pforten. Ebenso gehörte zum Haus immer ein Geldinstitut. Erst war es die Raiffeisenbank, später die Münchner Bank, die aktuell noch geöffnet hat.

2008 gab es noch einen Wiederbelebungsversuch des Gebäudes, bei dem eine Innenraumsanierung durchgeführt wurde. Der Erfolg blieb aus. Inzwischen sind die Außenbereiche total heruntergekommen (siehe Bilder).

Die Münchner Bank zieht während der Bauzeit in die Mittelinsel des Marx-Zentrum – in die ehemaligen Räume der Bubbletea-Bar Chibabu, die im Oktober 2012 schloss.

Bürohaus Peschelanger 3
Tiefgaragenrampe (19.07.2014) © Thomas Irlbeck
Bürohaus Peschelanger 3
Die Zugspitz-Apotheke ist bereits seit einem halben Jahr geschlossen (19.07.2014) © Thomas Irlbeck
Bürohaus Peschelanger 3
Eingangsbereich (19.07.2014) © Thomas Irlbeck
Bürohaus Peschelanger 3
Briefkastenanlage (19.07.2014) © Thomas Irlbeck
Bürohaus Peschelanger 3
Andeutungen an vergangene Zeiten (19.07.2014) © Thomas Irlbeck
Bürohaus Peschelanger 3
Abstufen muss man wohl hier sagen (19.07.2014) © Thomas Irlbeck
Bürohaus Peschelanger 3
Das sieht nicht gut aus (19.07.2014) © Thomas Irlbeck
Bürohaus Peschelanger 3
Das auch nicht (19.07.2014) © Thomas Irlbeck
Bürohaus Peschelanger 3
So eine Art neuer Blumenkasten (19.07.2014) © Thomas Irlbeck
Bürohaus Peschelanger 3
Abwärts (19.07.2014) © Thomas Irlbeck
Bürohaus Peschelanger 3
Zugspitz-Apotheke (19.07.2014) © Thomas Irlbeck
Bürohaus Peschelanger 3
Zugspitz-Apotheke (19.07.2014) © Thomas Irlbeck
Bürohaus Peschelanger 3
Die legendäre Hausnummer Peschelanger 3 (19.07.2014) © Thomas Irlbeck
Bürohaus Peschelanger 3
Bürohaus Peschelanger 3 (19.07.2014) © Thomas Irlbeck
Bürohaus Peschelanger 3
Bürohaus Peschelanger 3 (19.07.2014) © Thomas Irlbeck
Bürohaus Peschelanger 3
Bürohaus Peschelanger 3 (19.07.2014) © Thomas Irlbeck
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Die Königseiche bei Moosach (Grafing)

Königseiche
2013 stellte ich mir noch die Frage: Was soll dieses Objekt darstellen? (Archivbild) © Thomas Irlbeck

Bereits letztes Jahr kam ich bei einer Radtour an diesem seltsam erscheinenden Objekt vorbei, das sich unweit von Moosach bei Grafing befindet. Es sind aufrechte Holzpfähle und Holzstücke, teilweise mit länglichen Metallplatten verbunden, die in einem riesigen Kreis angeordnet sind. Was soll dies darstellen? Eine Kultstätte? Ein Kunstwerk? Ich kam nicht darauf, aber schoss ein Foto.

Vermutlich lässt sich das Rätsel durch Kombinieren und Überlegen alleine nicht lösen. Erfreulicherweise hat man nun zwei Infotafeln aufgestellt, welche die Fragen beantworten.

Königseiche
Königseiche 1909 (von der Infotafel abfotografiert)

Es handelt sich bei diesem Objekt um ein Naturdenkmal auf der Flur Breitwiese. Es entstand 2012 und erinnert an die mächtige Maximilians- oder Königseiche, einer Stieleiche, die rund 1.000 Jahre alt gewesen ist und am 7. April 1988 exakt an dieser Stelle Opfer der Osterstürme wurde. Der Kreis des Naturdenkmals bildet den enormen Stammumfang ab, der stolze 13 Meter betrug. Mit integriert wurden die letzten noch enthaltenen Stammreste der Königseiche sowie fünf Sitzsteinblöcke aus heimischem Nagelfluh. Wenige Meter entfernt (im ersten Bild ganz rechts) wurde – ebenso 2012 – eine neue Stieleiche gepflanzt.

Frühe urkundliche Erwähnung

Bereits in einer Urkunde aus dem 13. Jahrhundert wurde die Königseiche als „alter und großer Baum“ erwähnt.

Namensherkunft Königs-/Maximilianseiche

König Ludwig I. kaufte die Eiche 1846 von Kaspar Maier ab, dem Bauern am nahe gelegenen Schartlhof, und zahlte ihm 70 Gulden, um den Baum vor Abholzung zu schützen und der Nachwelt zu erhalten. Dennoch wurde die Eiche Maximilianseiche und nicht etwa Ludwigseiche genannt. Eine Erklärung könnte eine Namensverwechslung sein. Auf dem an der Eiche angebrachten Schild stand fälschlicherweise „Diese mehr als tausendjährige Eiche wurde von weiland Maximilian II. König von Bayern, dem Unvergeßlichen, gekauft, um sie vor Vernichtung durch die Axt zu bewahren (gestiftet von Bürgern Haidhausens 1882, renov. 1892 und 1898)“. Erst 1952 wurde der Fehler in einem neuen Schild korrigiert.

Die 1.000-jährige Königseiche – Ausflugsziel und Kraftplatz

Eine historische Aufnahme von 1909 lässt erahnen, wie mächtig der Baum war. Schon damals war die Eiche längst zu einem beliebten Ausflugsziel geworden. Die Besucher schätzten den Ort als Kraftzentrum.

Rettungsversuche

Die Eiche wurde keinesfalls ihrem Schicksal überlassen. Bereits 1949 wurden Sanierungen an dem altersschwachen Baum durchgeführt. Dabei wurde im Inneren des Baumes ein Gerüst aus Eichenpfählen installiert und mit 12 Kubikmetern Beton aufgefüllt. Herausbrechende Teile des Baumes konnten auf diese Weise durch starke Verschraubungen an dem Gerüst wieder fixiert werden. Mit einer 25 Meter langen Eisenkette, mehrere Zentner schwer, wurde der Baum zusammengeschnürt. Derartige Reparaturen unter Einsatz von Beton werden heute nicht mehr durchgeführt, da sie dem Baum mehr schaden als nützen. Denn die sich dort festsetzende Feuchtigkeit führt zu Pilzbefall. Auch geht die Sicherheit vor, gerade wenn Bäume nahe an Straßen stehen. Bäume, die ein Risiko darstellen, werden gefällt. Alleebäume werden heutzutage kaum mehr als 80 bis 100 Jahre alt.

Reste Königseiche
Reste Königseiche (von der Infotafel abfotografiert)

Bei der Sanierung von 1949 wurden auch drei Ruhebänke aufgestellt und eine Treppe errichtet, um den Zugang von der Straße zu erleichtern. Ebenso wurde das Alter der Eiche näher bestimmt. Bei eine Zählung der Jahresringe an einem herausgebrochenen Stammstück kommt der Heimatkundler Ludwig Aicher zu dem Ergebnis, dass der Baum mehr als 1.000 Jahre alt ist.

Das Ende – und ein Weiterleben als Denkmal und Madonnenskulptur

Ab 1960 verfällt der Baum zusehends. Schuld an dem Niedergang soll auch der Fichtenaufwuchs gehabt haben, der dem Baum Licht entzog. Denn Eichen brauchen viel Licht. Pläne, die Fichten zu entfernen, konnten nicht umgesetzt werden, da Verhandlungen der Behörden scheiterten.

1988 kam dann, wie schon erwähnt, das Ende. Der Baum konnte den Osterstürmen nichts mehr entgegensetzen und stürzte um. Der Platz mit den Resten der Königseiche (Foto) wurde abgesichert. Aus den vermodernden Resten des Baumes wird 2000 ein großer Ast geborgen, aus dem der Ebersberger Bildhauer German Larasser eine lebensgroße Madonnenskulptur mit Christuskind schnitzte, die in de Kapelle des Schartlhofes angebracht wurde. Der Baum ist damit nicht nur durch sein Naturdenkmal unsterblich geworden, sondern lebt auch in dieser Madonnenskulptur weiter.

Das Naturdenkmal

Die aktuellen Fotos vom 18. Juli 2014 zeigen das Naturdenkmal. Deutlich sind die alten Stammreste zu erkennen. Eine der beiden Infotafeln wurde in die Mitte des eigentlichen Denkmals gesetzt und die andere neben der Neupflanzung platziert (letztes Foto). Die neu geschaffene Lichtung soll dauerhaft freigehalten, also Wildwuchs regelmäßig entfernt werden, damit die neue Eiche genug Licht erhält. Dazu hat der Landkreis Ebersberg eigens einen 903 Quadratmeter großen Bereich um das Naturdenkmal herum erworben. Dennoch erscheint es eher unwahrscheinlich, dass die Nachfolger-Eiche auch eines Tages 1.000-Jähriges feiern darf.

Königseiche
Naturdenkmal Königseiche. Deutlich … (18.07.2014) © Thomas Irlbeck
Königseiche
… lassen sich die Originalstücke … (18.07.2014) © Thomas Irlbeck
Königseiche
… der Königseiche erkennen (18.07.2014) © Thomas Irlbeck
Königseiche Neupflanzung
Königseiche Neupflanzung (18.07.2014) © Thomas Irlbeck

Trivia

Blitzableiter

Der Baum verfügte über einen Blitzableiter. Auch wenn das jetzt kurios erscheinen mag, bei Mammutbäumen ist eine solche Einrichtung nicht unüblich.

Verschwundene Neupflanzung

Laut einem Bericht des Münchner Merkur wurde bereits 1990 eine neue Eiche gepflanzt und eine Gedenktafel angebracht. Im Frühjahr 2011 stellte man dann fest, dass der Baum verschwunden ist. Es wird vermutet, dass ein Arbeitstrupp den Baum versehentlich beseitigt hat.

Umgebungskarte Königseiche
Umgebungskarte Naturdenkmal Königseiche. Quelle: OpenStreetMap, Lizenz: Open Database License 1.0
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Die Kirche mit dem „angeschrägten“ Hochhaus-Turm

St.-Augustinus-Kirche
St.-Augustinus-Kirche (30.08.2013) © Thomas Irlbeck

Wie sicherlich das eine oder andere Mal erwähnt, habe ich mit der Kirche als Institution weniger als wenig am Hut. Aber Kirchenarchitektur kann mich durchaus begeistern. Dabei zieht mich hier vor allem klassische Kirchenarchitektur an. Moderne Kirchenbauten gibt es nur sehr wenige, die mir gefallen.

Der heutige mystische Ort ist die katholische St.-Augustinus-Kirche in Trudering, die folgerichtig an der St.-Augustinus-Straße liegt. Die Kreuzung zur Bajuwarenstraße ist hier ganz in der Nähe, und – wen wundert es – an dieser befindet sich auch die Augustinus-Apotheke. Räumlich sind wir zwar ein Stückchen von Neuperlach entfernt. Doch das Ziel, endlich einen mystischen Ort in Neuperlach zu finden, kommen wir heute vielleicht näher denn je.

Der Neuperlach-Faktor liegt in der Architektur. Die Kirche ist kein klassischer, aber auch kein typisch moderner Bau. Es ist 1950er-Jahre Architektur, so gesehen also der Nachkriegsmoderne zuzuordnen. Genauer wurde die Kirche 1952 bis 1955 geplant und gebaut. Am 28. August 1955 zum Fest des heiligen Augustinus wurde sie geweiht.

Ungewöhnlich: Die Form des Turmes ist die eines „angeschrägten“ Quaders

Das Neuperlachige ist die Form des Turmes, der 26 Meter Höhe misst bei einem Grundriss von 7 × 9 Metern. Dieser sieht wie ein Quader aus und hat auch das in Neuperlach obligatorische Flachdach. Damit ähnelt der Turm von der Optik einem Hochhausblock, wobei es hier doch zwei Unterschiede gibt. Erstens: Das Flachdach ist weit auskragend. Zweitens: Der Quader ist bei strengerer Betrachtung keiner, der Turm verjüngt sich nach oben hin zumindest leicht. Das Besondere ist, dass die Schräge nur auf der Nordseite vorhanden ist, im Bild ist das rechts. Das Foto kann diesen Effekt nur begrenzt zeigen – siehe weiter unten unter Nicht objektiv, sondern eine Sache der Perspektive.

Glocken

St.-Augustinus-Kirche
Nordseite des Kirchenschiffs (30.08.2013) © Thomas Irlbeck

Im Turm befinden sich sieben Glocken, die 1955 auf Basis einer zinnfreien Bronzelegierung in Erding gegossen wurden. Die Töne der Glocken lauten von unten nach oben: As – c’ – es’ – f’ – as’ – b’ – c’’

Kirchenschiff und Orgel

Das Kirchenschiff misst 15 Meter in der Höhe, ist 45 Meter lang und 22 Meter breit. Es verfügt über ein übliches Satteldach. Verspätung gab es bei der Kirchenorgel. Diese wurde erst 1965 von der Firma Carl Schuster und Sohn erbaut und in Betrieb genommen. Die 41 Register sind auf Hauptwerk, Positiv, Schwellwerk und Pedal verteilt.

Kirchturm ohne Kreuz – der Flughafen Riem war schuld

St.-Augustinus-Kirche, Kreuz Detail
Der Abstand des Kreuzes zur Turmwand wird nach oben hin größer. Durch Klick vergrößern, um den Effekt gut sehen zu können (30.08.2013) © Thomas Irlbeck

Der Flughafen Riem, 1939 eröffnet, sorgte für ein Kuriosum. Aus Sicherheitsgründen galten in der Einflugschneisen des Stadtgebiets strenge Bauhöhenbegrenzungen. Diese kann man heute noch in Neuperlach sehen. An der Haupteinflugschneise war eine Begrenzung auf 25 Meter vorgeschrieben (was acht Stockwerke ermöglichte), wobei man bei Dachaufbauten manchmal großzügig waren, sodass manche Häuser doch zumindest punktweise auf rund 26 Meter kamen. Außerhalb der Haupteinflugschneise – bereits das Marx-Zentrum lag ein paar Meter von dieser entfernt – gab es weniger strenge Limitierungen. So waren für die Häuser im Marx-Zentrum bis zu 35 Meter erlaubt, was sich in bis zu 14 Stockwerken (zuzüglich teilweise mehrstöckiger Dachaufbauten) widerspiegelt.

Genau diesr Bauhöhenbegrenzung war verantwortlich dafür, dass die St.-Augustinus-Kirche kein Kreuz auf dem Turm tragen durfte. Mit 26 Meter Höhe des Turmes war offenbar schon alles ausgeschöpft. Als Ersatz war aber aber ein kleines Kreuz auf dem Dach des Kirchenschiffs ganz vorne am Haupteingang (Westseite) aufgesetzt worden. 1992 wurde der Flughafen Riem stillgelegt, doch erst 2002 bekam der Kirchturm sein Kreuz. Im Rahmen einer umfassenden Sanierung wurde an der Nordseite des Turms ein zwölf Meter langes vergoldetes Kreuz angebracht, das sechs Meter über das Flachdach hinausragt, und das alte Kreuz auf dem Satteldach entfernt. Obwohl gerade diese Nordseite nicht senkrecht, sondern schräg läuft, steht das Kreuz selbst exakt vertikal. Wenn man genau hinsieht, erkennt man, dass dies durch zwei unterschiedlich lange waagrechte Halterungen erzielt wird (die Abbildung zeigt es, diese anklicken, um zu vergrößern). Der Abstand des Turms zum Kreuz wird nach oben hin größer. Aber auch bei den Fenstern am rechten Rand des Turmes (Abbildung am Artikelanfang) sieht man, dass deren Abstand zur rechten Turmwand nach oben hin kleiner wird.

Nicht objektiv, sondern eine Sache der Perspektive

Ein Objektiv ist nur dem Begriff nach objektiv. In der Realität gibt es starke Verzerrungen, je weitwinkiger, desto größer werden sie. Objekte laufen dann auf einmal spitz nach oben oder unten zu, Hochhäuser und Türme, speziell am Bildrand, drohen umzustürzen. Diese stürzenden Linien lassen sich per Bildbearbeitung automatisch oder manuell aufrichten. Hat man ein Gebäude vor sich, bei dem die Kanten wirklich senkrecht laufen, lässt sich auf diese Weise ein gutes Ergebnis erzielen und ein Schiefer Turm von Pisa vermeiden. Besitzt ein Gebäude aber keine oder nicht durchgehend senkrechte Kanten, da es sich tatsächlich verjüngt, wird es schwieriger, da es weniger oder keine Anhaltspunkte gibt. Eine normale Entzerrung stürzender Linien würde hier ein Ergebnis erzielen, das an der Realität vorbeigeht. Daher wurde hier die Entzerrung behutsam eingesetzt. Dabei wurde darauf geachtet, dass alle senkrechten Kanten inklusive des Kreuzes möglichst vertikal verlaufen. Die einzige Schräge ist damit die Turmnordseite, die aber hier im Ergebnis möglicherweise subjektiv zu stark ausfällt. Es muss klar sein, dass dies nur ein Kompromiss sein kann. Keine Aufnahme, ganz speziell in diesem Fall, kann eine Betrachtung vor Ort ersetzen.

Der heilige Augustinus

St.-Augustinus-Kirche, Relief
Relief an der Westseite mit dem heiligen Augustinus (30.08.2013) © Thomas Irlbeck

Augustinus von Hippo (* 13. November 354 in in Tagaste, auch: Thagaste, in Numidien, heute Souk Ahras in Algerien; † 28. August 430 in Hippo Regius, heute Annaba in Algerien) war „einer der vier lateinischen Kirchenlehrer der Spätantike und ein wichtiger Philosoph an der Epochenschwelle zwischen Antike und Mittelalter“ (Quelle: Wikipedia). Von den Westkirchen wird Augustinus als Heiliger verehrt.

An der Westseite der Kirche mit dem Haupteingang befindet sich ein Relief des heiligen Augustinus (siehe Abbildung). Der Künstler Siegfried Moroder meißelte dieses 1958 aus den Sandsteinblöcken heraus, die bereits beim Bau der Kirche eingefügt worden waren.

Umgebungskarte

Umgebungskarte St.-Augustinus-Kirche
Umgebungskarte St.-Augustinus-Kirche. Quelle: OpenStreetMap, Lizenz: Open Database License 1.0

Per ÖPNV erreicht man die Kirche am besten so: Bus 195, N49: Gnadenwaldplatz oder Bus 139, 195, N49: St.-Augustinus-Straße

Quellen

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Architektur Bilder

Spitzhelm-Türmchen

Spitzhelmdach Truderinger Straße
Spitzhelmdach (30.08.2013) © Thomas Irlbeck
Spitzhelmdach Truderinger Straße
Spitzhelmdach alt (links) und neu

Ein harter Kontrast zu unserer Neuperlacher Architektur. Der Bau liegt an der Kreuzung Bajuwarenstraße / Truderinger Straße und damit nur unweit von Neuperlach. Gar nicht so schlecht passt die blaue Verkleidung im Erdgeschoss, da dort ein Schwimmbad- und Saunafachhandel untergebracht ist.

Solche herrlichen Gebäude mit Spitzhelm-Türmchen gibt es leider immer weniger, sie werden immer mehr für Einheitsarchitektur geopfert, da sich damit mehr Kasse machen lässt (siehe abgerissene Michaeliburg). Auch dieses Gebäude ist offenbar nicht denkmalgeschützt, in den offiziellen Verzeichnissen der Baudenkmäler ist es jedenfalls nicht gelistet.

2021 zeigt sich das Haus im neuen Look:

Spitzhelmdach Truderinger Straße
Im Erdgeschoss werden Pools und Saunen verkauft. Ob die Ladeninhaber wohl in Geld schwimmen? (13.06.2021) © Thomas Irlbeck
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Ärgerliches/Nerviges Bilder Marodes

Morscher Porsche

Schon 2012 habe ich dieses herrliche Fahrzeug fotografiert – mit dem Smartphone. Nun steht dieses Automobil immer noch auf einem Parkplatz einer imposanten Wohnanlage in Neuperlach Ost. Da musste ich natürlich noch mal mit dem richtigen Fotoapparat ran.

Morscher Porsche
An der HU … (06.06.2013) © Thomas Irlbeck
Morscher Porsche
… ist der Wagen offenbar nur knapp vorbeigeschrammt (06.06.2013) © Thomas Irlbeck
Morscher Porsche
Morscher Porsche (06.06.2013) © Thomas Irlbeck
Morscher Porsche
Rechtes Foto: Georg Schwalbach / Lizenz CC BY-NC 2.0 (06.06.2013) © Thomas Irlbeck

Update 17.08.2014

Endlich ist der Wagen weg!

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Bilder Historisches ÖPNV Rätsel

Bushaltestelle Peschelanger: Auf der Suche nach dem Schweigerweg

Bushaltestelle Peschelanger
Haltestelle Peschelanger (Außenring) (20.05.2013) © Thomas Irlbeck

Die Benennung einer Bus- oder Trambahnhaltestelle ist eine Kunst. Der Name sollte so gewählt werden, dass er die Verbindung zwischen dem Namen und dem, was dort zu finden ist und von den Fahrgästen typischerweise aufgesucht wird, bestmöglich herstellt. Sicherlich nicht nur in München wird als Name für die Haltestellen häufig die Querstraße herangezogen. Die Vorteile sind klar: Denn auf diese Weise werden die tatsächlichen Haltestellenpositionen gerade auf längeren, gar kilometerlangen Straßen gut markiert.

Wer heute in das Marx-Zentrum will, etwa zu einem Facharzt des renommierten Ärztehauses am Peschelanger, fährt folglich mit dem Bus (es ist die Ringlinie 197; früher verkehrte hier die Linie 97, zeitweise auch die Linie 39) bis zur Haltestelle „Peschelanger“. Der Bus rollt den gesamten Karl-Marx-Ring entlang, ergo ist der (kurze) Peschelanger ein durchaus sinnvoller Namensgeber, zumal ja Patienten des Ärztehauses, die ortsfremd sind, gezielt nach der Ärztehausadresse – es ist Peschelanger 11 – Ausschau halten.

Doch früher hieß die Haltestelle „Schweigerweg“. Äh, Schweiger… wie bitte? Es gibt aber überhaupt keine postalische Adresse „Schweigerweg“, somit wohnt kein Münchner am Schweigerweg. Jetzt könnte man zumindest damit argumentieren, dass die heutige Haltestelle „Peschelanger“ gar nicht direkt am Peschelanger liegt, der ist nämlich noch ein schönes Stück davon entfernt. Dann sollte aber an der Haltestelle der Schweigerweg als Querstraße (oder Querweg) zu finden sein, denn irgendeine Bedeutung muss der Haltestellenname ja haben. So etwas wäre nicht untypisch. So gibt es z.B. in Neuperlach die Siegfried-Mollier-Straße, die auch keine postalische Adresse darstellt, aber nach der die Bushaltestelle vor dem Einkaufszentrum Life benannt ist. (Der Name ist so gesehen auch nicht glücklich, denn die Siegfried-Mollier-Straße ist nicht des Fahrgastes Objekt der Begierde.)

Map Schweigerweg
Umgebungskarte Peschelanger. Quelle: OpenStreetMap, Lizenz: Open Database License 1.0

Wenn man heute die Gegend an er Haltestelle „Peschelanger“ absucht, wird man sehr wahrscheinlich nirgends ein Straßenschild mit dem Namen „Schweigerweg“ finden. Vermutlich ist der breite Fußweg von der Haltestelle Richtung Kirche St. Monika der Schweigerweg oder der Fußweg in die entgegengesetzte Richtung, also Richtung Zehntfeldstraße. Oder beide gleichzeitig. Oder einer der anderen Wege in der Gegend, die so zu finden sind (siehe Umgebungskarte). Eine Erklärung könnte sein, dass nur die Schilder verschwunden sind, nicht aber der Weg. Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, ob ich als Kind damals ein Straßenschild „Schweigerweg“ gesehen habe. Vermutlich ja, aber ich habe keine Gewissheit.

Ein Neuperlach.org-Leser hatte noch die interessante Idee, dass der Schweigerweg eine ehemalige Straße gewesen sein könnte, die an dieser Stelle über das spätere Neuperlacher Gebiet führte. Alte Stadtpläne sprechen allerdings eher dagegen, wenngleich dort einige kleinere Wege nicht mit ihren Namen eingezeichnet sind. Ganz ausgeschlossen ist diese Erklärung also nicht, da tatsächlich eine Reihe von Straßen heute nicht mehr existieren bzw. nur noch als kurzer Stummel vorhanden sind. So etwa ist von der Corinthstraße nur noch ein kurzes Stück in der Nähe der Michaelikapelle (Kreuzung Heinrich-Wieland-Straße) übrig geblieben. Früher führte die Corinthstraße als Landstraße von dort weiter fast bis Perlach (gemeint ist quasi Alt-Perlach). Damals (bis Ende der 1960er-Jahre) gab es dort nur Felder und so gut wie keine Bebauung.

Es stellt sich aber auch noch die nicht ganz unwichtige Frage, welcher Herr oder welche Frau Schweiger mit dem Schweigerweg geehrt wurde, der Nachname kommt ja nicht gerade selten vor.
Was den Haltestellennamen angeht, hatten 1987 die Verantwortlichen endlich ein Einsehen. Vermutlich hat sich ein Verband eingesetzt, die Haltestelle umzubenennen, da die meisten Fahrgäste zum Peschelanger oder zumindest zu einer Straße in der Nähe möchten, die auch im Stadtplan verzeichnet ist. Da hilft der Name „Schweigerweg“ nur denjenigen, die maximale Irritation bevorzugen. Ab dem Sommerfahrplan 1987 heißt die Haltestelle nun „Peschelanger“ (vielen Dank an Spirit of ChristianMUC aus dem Eisenbahnforum für die Recherche).

Jetzt aber die Frage aller Fragen: Wer hilft, das Rätsel ganz zu lösen?

Bushaltestelle Peschelanger
Haltestelle Peschelanger (Innenring) (20.05.2013) © Thomas Irlbeck
Bushaltestelle Peschelanger
Haltestelle Peschelanger – Ist das im Hintergrund rechts der Schweigerweg? (20.05.2013) © Thomas Irlbeck
Bushaltestelle Peschelanger
Oder dieses Stück, auf dem wir hier stehen (hinter uns ist St. Monika) (20.05.2013) © Thomas Irlbeck
Bushaltestelle Peschelanger
Beide Wartehäuschen sind seit einiger Zeit mit DFI-Anzeigern ausgestattet (20.05.2013) © Thomas Irlbeck
Bushaltestelle Peschelanger
Diese Übersichtskarte bringt auch keine wirklich erhellenden Informationen (20.05.2013) © Thomas Irlbeck
Bushaltestelle Peschelanger
Haltestelle Peschelanger (Außenring) – ganzes Foto ohne Einblendung (20.05.2013) © Thomas Irlbeck

Verlegung der Haltestelle und die Posse um das Wartehäuschen

Bushaltestelle Peschelanger
Verlagerte Bushaltestelle Peschelanger Innenring mit Buszug (24.09.2019) © Thomas Irlbeck
Bushaltestelle Peschelanger
Verlagerte Bushaltestelle Peschelanger Innenring mit Buszug (24.09.2019) © Thomas Irlbeck
Bushaltestelle Peschelanger
Verlagerte Bushaltestelle Peschelanger Innenring mit Buszug (24.09.2019) © Thomas Irlbeck

2019 wurde die Haltestelle einige Meter verlegt – direkt vor die Fußgängerampel. Zwei Stellen, an den gebremst werden muss, werden vereint zu einer. Das soll die Linie beschleunigen. Die Haltestellenbereiche wurden zudem für die neuen Buszüge verlängert. Doch der Weg vom Innenring zum Marx-Zentrum ist ein Stückchen länger geworden, sodass nicht alle zufrieden sind. Schlimmer ist, dass am Innenring kein Wartehäuschen mehr aufgestellt wurde. Das lag daran, dass Platz nur noch auf Privatgrund vorhanden war. Also musste verhandelt werden. Was lange währt, wird endlich gut! Nach 3 Jahren Warten wird endlich ein Wartehäuschen aufgebaut. Ein Dank an alle, die sich für das Wartehäuschen stark gemacht haben und die nicht lockergelassen haben!

Bushaltestelle Peschelanger – Wartehäuschen
Bushaltestelle Peschelanger: Jetzt endlich kommt das Wartehäuschen auf der Innenring-Seite (24.02.2023) © Thomas Irlbeck
Bushaltestelle Peschelanger – Wartehäuschen
Bushaltestelle Peschelanger – Wartehäuschen (24.02.2023) © Thomas Irlbeck
Bushaltestelle Peschelanger – Wartehäuschen
Bushaltestelle Peschelanger – Wartehäuschen (24.02.2023) © Thomas Irlbeck
Bushaltestelle Peschelanger – Wartehäuschen
Bushaltestelle Peschelanger – Wartehäuschen (24.02.2023) © Thomas Irlbeck
Bushaltestelle Peschelanger – Wartehäuschen
Bushaltestelle Peschelanger – Wartehäuschen (24.02.2023) © Thomas Irlbeck

14.04.2023

Nach einem Stillstand von fast zwei Monaten wurden nun endlich das Dach und weitere Elemente montiert. Sinnvoll benutzbar ist das Wartehäuschen aber immer noch nicht, da die Wetterschutzscheibe noch fehlt. Hoffen wir, dass die Arbeiten nun bald zu Ende geführt werden!

Bushaltestelle Peschelanger
Bushaltestelle Peschelanger – Wartehäuschen (14.04.2023) © Thomas Irlbeck
Bushaltestelle Peschelanger
Bushaltestelle Peschelanger – Wartehäuschen (14.04.2023) © Thomas Irlbeck
Bushaltestelle Peschelanger
Bushaltestelle Peschelanger – Wartehäuschen (14.04.2023) © Thomas Irlbeck
Bushaltestelle Peschelanger
Bushaltestelle Peschelanger – Wartehäuschen (14.04.2023) © Thomas Irlbeck
Bushaltestelle Peschelanger
Bushaltestelle Peschelanger – Wartehäuschen (14.04.2023) © Thomas Irlbeck

20.04.2023 – Fertig!

Heute die Rückwand montiert, sodass wir endlich sagen können – mit einer leicht abgewandelten Redensart: „Was lange währt, fährt endlich gut!“

Bushaltestelle Peschelanger
Bushaltestelle Peschelanger – Wartehäuschen (20.04.2023) © Thomas Irlbeck
Bushaltestelle Peschelanger
Bushaltestelle Peschelanger – Wartehäuschen (20.04.2023) © Thomas Irlbeck
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Bilder Einkaufen/Ladenzentren Kunst und Denkmäler Marodes Veranstaltungen/Ausstellungen

Bilder einer („anderen“) Ausstellung – Jan Deichmann eröffnet Atelier im Quidde-Zentrum

CAZ132 eröffnet Atelier im Quidde-Zentrum
Kunstausstellung. Der Künstler ist im Bild(e)! (11.05.2013) © Thomas Irlbeck

Allenfalls dem Begriff nach bedeutet Ausstellung, etwas ins Aus zu stellen. Doch wer sich den Ort anschaut, an dem der Graffiti- und Streetart-Künstler Jan Deichmann alias CAZ132 (zur Website von CAZ132) sein neues Atelier hinverlagert hat, der findet mit dem Quidde-Zentrum ein schrecklich heruntergekommenes Ladenzentrum, das schon vor Jahren hätte abgerissen werden sollen, aber irgendwie von den Verantwortlichen bislang vergessen wurde. Einst war es der Stolz Neuperlachs mit Supermärkten, Schreibwarengeschäft, Apotheke, Wienerwald und Stadtsparkasse, später dann auch mit der legendären Stadtteilbibliothek. Läden im eigentlichen Sinn gibt es dort nicht mehr, heute kann man einen Teil der Räume nicht einmal mehr mieten, weil sie nicht mehr „verkehrssicher“ sind oder ein undichtes Dach haben.

CAZ132 eröffnet Atelier im Quidde-Zentrum
Ausstellung CAZ132 (11.05.2013) © Thomas Irlbeck

Ein total marodes Zentrum mit „Einstürzende Neubauten“-Flair ist aber eine Chance für Kunst und Kultur fernab vom Mainstream, weil eben einige Räume doch noch zu haben und auch entsprechend günstig sind. Entsprechend hat CAZ132 hier ins Schwarze getroffen. Seine Räume gehören zu den besseren, da diese vor kurzem noch ein Café und eine Bar beherbergten und somit nicht einfach verfielen. Etwas Laufkundschaft ist hier auch zu finden, da das Quidde-Zentrum auf dem Neuperlacher Fußwegsystem liegt. Heute – zufälligerweise hat Neuperlach Geburtstag und ist stolze 46 geworden (Grundsteinlegung Neuperlach 11. Mai 1967), wir gratulieren –, ist offiziell Eröffnung des neuen Ateliers. Neues und Altes – Totes und Lebendiges –, die Gegensätze könnten kaum größer sein.

Heute ging es nicht darum, Werke zu verkaufen – Preise waren entsprechend auch keine auf den Werken angebracht –, sondern mit interessierten Bürgern, mit Kunstliebhabern, Presse und einfach mit Menschen von nebenan ins Gespräch zu kommen und neue Kontakte zu knüpfen. Entsprechend kam quasi Hinz und Kunst (o.k., Kunz) in die neuen Räume – zum Staunen und Plaudern. Tatsächlich war neben dem Fachpublikum auch die nette, liebe Familie aus dem Nachbarblock zum Schauen da. Immer wieder treffen neue Gäste ein.

Ich erfahre einiges. Da wird die Wohnungsbaugesellschaft WSB auch schon einmal lobend erwähnt, weil sie Stellen im Stadtteil, die in der Vergangenheit immer wieder mit Schmierereien verunstaltet wurden, nun von Künstlern verschönern lässt. Das Konzept geht auf: Mehrere von CAZ132 neu gestaltete Flächen sind seit Jahren kein Opfer von Vandalismus mehr geworden. Auch über den Verfall Neuperlachs wird gesprochen, über neue Tendenzen und über das hässliche Wort Nachverdichtung. Bis in alle Unendlichkeit wird auch das Quidde-Zentrum nicht mehr stehen. Ein Jahr könnte es durchaus noch so weitergehen, dann oder auch etwas später aber kommt der Neubau. Neben Läden (genauer darüber) wird es viele, viele Wohnungen geben, die ach so dringend gebraucht werden. Bis dahin wird vor allem eines hier zu Hause sein: die Kreativität.

Was Sie schon immer wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten: Was bedeutet NPL83? Wohl jeder Neuperlacher ist schon mal auf den Begriff NPL83 gestoßen. Doch was steckt dahinter? NPL83 ist eine Künstlervereinigung, die von Hakan K., Grosses K, ENZ und eben CAZ132 gegründet wurde. Schwerpunkte sind Musik und bildende Kunst.
NPL steht keinesfalls für Neurolinguistisches Programmieren, das wäre dann ja NLP, sondern schlicht für Neuperlach. Die 83 ist nicht das Gründungsjahr, sondern der alte Postleitzahlzusatz für Neuperlach (8000 München 83). Gegründet wurde NPL83 auch „erst“ 1986.

Link

Website von Jan Deichmann/CAZ132

CAZ132 eröffnet Atelier im Quidde-Zentrum
Kunstausstellung CAZ132 (11.05.2013) © Thomas Irlbeck
CAZ132 eröffnet Atelier im Quidde-Zentrum
Kunstausstellung CAZ132 (11.05.2013) © Thomas Irlbeck
CAZ132 eröffnet Atelier im Quidde-Zentrum
Kunstausstellung CAZ132 (11.05.2013) © Thomas Irlbeck
CAZ132 eröffnet Atelier im Quidde-Zentrum
Kunstausstellung CAZ132 (11.05.2013) © Thomas Irlbeck
CAZ132 eröffnet Atelier im Quidde-Zentrum
Kunstausstellung CAZ132 (11.05.2013) © Thomas Irlbeck
CAZ132 eröffnet Atelier im Quidde-Zentrum
Kunstausstellung CAZ132 (11.05.2013) © Thomas Irlbeck
CAZ132 eröffnet Atelier im Quidde-Zentrum
Kunstausstellung CAZ132 (11.05.2013) © Thomas Irlbeck
CAZ132 eröffnet Atelier im Quidde-Zentrum
Kunstausstellung CAZ132 (11.05.2013) © Thomas Irlbeck
CAZ132 eröffnet Atelier im Quidde-Zentrum
Kunstausstellung CAZ132 (11.05.2013) © Thomas Irlbeck
CAZ132 eröffnet Atelier im Quidde-Zentrum
Kunstausstellung CAZ132 (11.05.2013) Foto: Jan Deichmann
CAZ132 eröffnet Atelier im Quidde-Zentrum
Das Atelier von außen (11.05.2013) © Thomas Irlbeck

Zwei Jahre später

Atelier von CAZ132 im Quidde-Zentrum
Atelier von CAZ132 (31.10.2015) © Thomas Irlbeck
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Luftschutzbau Nr. 7

Luftschutzbau Nr. 7
Luftschutzbau Nr. 7 (06.02.2013) © Thomas Irlbeck
Luftschutzbau Nr. 7
Luftschutzbau Nr. 7 (06.02.2013) © Thomas Irlbeck
Luftschutzbau Nr. 7
Luftschutzbau Nr. 7 (06.02.2013) © Thomas Irlbeck

Ein Bunker hat aufgrund seiner enormen Festigkeit etwas Bewahrendes, Schützendes, etwas Ewiges. Gleichzeitig tangiert er aber immer auch das Endliche, denn er ist unauflöslich mit den Schrecken des Krieges verbunden, mit dem Vergänglichen, dem Tod. Speziell Hochbunker alter Bauart verkörpern etwas Geheimnisvolles, Mystisches. Kaum mehr als einen Steinwurf von Neuperlach entfernt steht er, der Hochbunker an der Sonnwendjochstraße, Ecke Waldstraße. Die offizielle Adresse lautet Sonnwendjochstraße 54c. Vom Bunker blickt man auf die Heinrich-Wieland-Straße, den Ostpark. Der Standort indes gehört zum Stadtteil Josephsburg und damit zu Berg am Laim.

1941 wurde der Bunker als „Luftschutzbau Nr. 7“ (im Folgenden kurz als „Nr. 7“ bezeichnet) nach Plänen von Karl Meitinger (* 1882; † 1970) errichtet, einem Münchener Architekten und Baubeamten, der sich für weitere Hochbunker wie den bekannten Hochbunker an der Blumenstraße, aber auch für diverse Schwimmbäder (Städtisches Männerfreibad in der Schyrenstraße, Frauenfreibad in den Isarauen, Nordbad …) und völlig andere Arten von Bauten, etwa Wohnanlagen, verantwortlich zeichnet.

Luftschutzbau Nr. 7
Luftschutzbau Nr. 7 (06.02.2013) © Thomas Irlbeck

Markant ist der achteckige Grundriss von Nr. 7, ebenso die monumentale Freitreppe. Der Stil folgt der Tradition des spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen Wehrbaus. Vier Geschosse hat der turmähnliche Bau, die mit einem Zeltdach abschließen. Inzwischen steht Nr. 7 unter Denkmalschutz. Der Hochbunker ist derzeit nahezu leer und für die Allgemeinheit nicht zugänglich.

Luftschutzbau Nr. 7
Luftschutzbau Nr. 7 (06.02.2013) © Thomas Irlbeck
Luftschutzbau Nr. 7
Luftschutzbau Nr. 7 (06.02.2013) © Thomas Irlbeck

Es gibt noch zahlreiche weitere Hochbunker in München. Wikipedia listet 25 noch existierende Bauten auf. 3 Hochbunker wurden abgerissen. Die meisten stehen einfach leer, so wie auch Nr. 7. Manche Hochbunker werden für kulturelle Zwecke genutzt, etwa Kunstausstellungen oder als Musik- und Theaterschule. Der Hochbunker an der Claude-Lorrain-Straße in Giesing wurde gar zu einem Wohnhaus umgebaut. Wohnen hinter 2,40 Meter dicken Wänden (das ist normalerweise die Raumhöhe!), das gibt es. Der Hochbunker an der Ungererstraße wurde umgebaut – und ist jetzt ein achtgeschossiges Wohn- und Geschäftshaus mit ca. 1.000 m² Wohn- und Nutzfläche. Nur zwei Hochbunker sind noch als Schutzbauten (in der Schleißheimerstraße und in der Blumenstraße) vorgesehen, eine Rolle, die sie hoffentlich nie mehr ausfüllen müssen.

Luftschutzbau Nr. 7
Luftschutzbau Nr. 7 (06.02.2013) © Thomas Irlbeck

Mit dem ÖPNV erreicht man den Hochbunker am besten per Tram 21 oder Autobus 195 an der Haltestelle St.-Veit-Straße.

Die GPS-Koordinaten des Hochbunkers lauten 48.120833 11.645278.

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Über Neuperlach ins Schwarze Meer: Der Hachinger Bach

Hachinger Bach
Baumhaus- und Brückenromantik am Hachinger Bach in Perlach Süd
Hachinger Bach
Die Autobahn A8 überquert den Hachinger Bach an der Grenze zwischen Unterbiberg und Unterhaching
Hachinger Bach
Der Hachinger Bach bei Unterbiberg (06.10.2012) © Thomas Irlbeck

Auf der Suche nach mystischen Orten in Neuperlach werden wir nun das erste Mal einen Ort finden, der tatsächlich (auch) in Neuperlach liegt und nicht haarscharf daneben. Genau genommen ist es kein Ort, sondern vielmehr ein linienförmiges Gebilde: der Hachinger Bach. An seinem Verlauf gibt es eine ganze Reihe mystischer Orte. Auch als Ort der Ruhe ist der Bach an vielen Stellen mindestens eine Kraftzone. Da auch Taufrituale an Gewässern durchgeführt werden, hat ein Gewässer grundsätzlich einen gewissen mystischen Charakter. Zudem ranken sich noch Sagen und Legenden um den Hachinger Bach, dazu später mehr. Schließlich soll noch ein Experiment den Bach „erfahrbar“ machen, im wahrsten Sinne des Wortes.

Kinder baden im Hachinger Bach an der Sebastian-Bauer-Strasse im August 1932
Kinder baden im Hachinger Bach an der Sebastian-Bauer-Strasse im August 1932. Bild: Festring Perlach
Ansichtskarte Hachinger Tal
Ansichtskarte Hachinger- und Gleißental aus der Vogelperspektive (um 1909). Urheber: unbekannt, Lizenz: Public Domain

Zunächst einmal das Wichtigste: Der Hachinger Bach fließt durch Oberhaching, Taufkirchen, Unterhaching, Unterbiberg, Perlach und dann eben auch Neuperlach. Gleich hinter Neuperlach taucht dann der Bach in den Untergrund ab, worauf später noch näher eingegangen wird. Letztlich fließt der Bach über seine Folgegewässer ins Schwarze Meer.

Ein Bach ohne eindeutige Quelle – und mit ungewöhnlicher Mündung

Das zwölf Kilometer lange Gewässer beginnt in einer ehemaligen Gletscherabflussrinne zwischen Deisenhofen und Oberhaching. Dabei zeigt sich die erste Besonderheit, der Hachinger Bach hat keine eindeutige Quelle. Die Stelle, wo der Hachinger Bach in Erscheinung tritt, liegt in einem Bereich, in dem das vom Deininger Weiher ausgehende Gleißental zum Hachinger Tal wird. Auf einer Länge von rund 100 Metern tritt stetig mehr Grundwasser aus dem Boden, sodass der Boden immer mehr Feuchtigkeit aufweist, bis tatsächlich eine sichtbare Wasserrinne und damit der Bach entsteht. Da das Grundwasser ständigen Schwankungen unterworfen ist, lässt sich kein genauer Quellpunkt ausmachen. Um zu verhindern, dass das Bachbett ganz trocken fallen kann, wurde neben einem Parkweg ein Rohr installiert, das Wasser einleitet. Die Wassermenge steigt im weiteren Bachverlauf an – durch Grundwassereintritt und Zuflüsse wie den Entenbach in Taufkirchen.

Doch nördlich von Unterhaching ist der Bach in Gefahr, da die Flinzschicht, die das Wasser hält und den Bach vor einem Versickern bewahrt, stark abfällt. Ebenso sinkt das Grundwasser. Doch die Schlammablagerungen, die der Bach selbst geschaffen hat, verschonen ihn vor diesem Schicksal. Dadurch versickerte der Bach nicht mehr wie ursprünglich irgendwo kurz nach Unterhaching in der Münchner Schotterebene, sondern schaffte es noch bis zu einer Stelle, die nördlich des heutigen Ostparks liegt. Doch heute ist alles anders. Der Bach unterquert nach dem Ostpark noch die Heinrich-Wieland-Straße und hat dann noch 120 Gnadenmeter an der Oberfläche, bevor er seit 1933 in einem Einlaufbauwerk mit automatischem Schmutzrechen abtaucht. Neben dem Einlaufbauwerk wurde ein Versickerungsbecken angelegt, das bei Hochwasser Überschwemmungen verhindern soll.

Jetzt wird es unterirdisch

Der Bach fließt ab dem Einlaufbauwerk unterirdisch durch ein profanes Betonrohr bis zum so genannten Hüllgraben, einem künstlich angelegten Kanal, der am Zamdorfer Gleisdreieck beginnt. Von dort geht es oberirdisch weiter zum sogenannten Abfanggraben, der zwischen Johanneskirchen und Aschheim liegt. Dieser führt schließlich zum Mittlere-Isar-Kanal westlich von Neufinsing. Letzterer fließt dann bei Tiefenbach, westlich von Landshut, in die Isar. Diese wiederum mündet bekanntlich in die Donau und diese fließt noch „bekannlicher“ ins Schwarze Meer.

Renaturierung

Der Bach wurde wie viele Gewässer auch an vielen Stellen begradigt. Auch heute noch fließt er an manchen Stellen schnurgerade, oft sogar in einer kanalähnlichen Betonrinne. An einigen Stellen, etwa in einem Teilabschnitt in Unterbiberg, wurde aber inzwischen eine Renaturierung durchgeführt. Inwieweit diese Renaturierungen gelungen sind, zeigen die Fotos weiter unten.

Nach oben kommen!

Forderungen, den Hachinger Bach auch in Berg am Laim, wo er ja unterirdisch fließt, an die Oberfläche zu holen, gibt es immer wieder. Man hat auch eine vorbereitende Maßnahme durchgeführt und vom Einlaufbauwerk bis zum Pavillon der U-Bahn-Station Josephsburg ein Bachbett angelegt. Doch dieses ist bis heute ungenutzt. Update: 2014 sollte es weitergehen und der Bach hier offengelegt werden. Bis Januar 2021 ist aber nichts passiert. Update 2021: Angeblich soll die Umsetzung nun 2021 geschehen.

Legende

Früher versiegte die Quelle des Baches rund alle sieben Jahre, um dann ein Jahr später wieder aufzutauchen. Dafür und auch für das Versickern des Bachs hatte man damals keine Erklärungen. Entsprechend entstanden einige Sagen, in denen dafür dem Teufel die Verantwortung dafür gegeben wurde. Ferner ist eine Sage bekannt, in der von einem Erbschaftsstreit um eine Mühle am Bach zwischen zwei Söhnen die Rede ist. Da sich die Söhne nicht einigen konnten, soll Gott höchstpersönlich die Quelle zum Versiegen gebracht haben, um die Mühle vorübergehend sinnlos zu machen.

Wortherkunft

Der Name Hachinger Bach leitet sich von Hacho ab, einem Bajuwaren, der zwischen dem 5. und dem 8. Jahrhundert Siedlungen entlang des Bachlaufs errichtete.

Das Experiment – Entlang am Hachinger Bach

In dem angekündigten Experiment möchte ich den gesamten Hachinger Bach mit dem Fahrrad abfahren und auch das ominöse Wasserrohr an der Quelle lokalisieren. Der Grundgedanke ist, dass wenn ich nach Deisenhofen auf der normalen Straße fahre, ich möglicherweise gar nichts finde, da das Wasserrohr gut versteckt und der Bachverlauf unklar sein könnten. Also fange ich lieber auf der sicheren Seite an (im wahrsten Wortsinne!), das heißt beim Einlaufbauwerk am Michaelibad. Von dort aus taste ich mich gewissermaßen zum anderen Ende der Schnur. Meine selbst gesetzte Vorgabe ist, möglichst immer am Ufer zu fahren, zumindest aber in Sichtnähe zum Bach. An Stellen, wo der Bach durch Privatgrundstücke fließt, sind Ausnahmen möglich, aber zu weit sollte ich mich nicht vom Bach wegbewegen. Alle Bilder sind übrigens in der Reihenfolge streng von der Mündung in Richtung Quelle angeordnet. Der Blick wechselt aber mitunter und geht mal in die eine und mal die andere Richtung (je nachdem, was es zu sehen gibt und auch um Gegenlichtaufnahmen möglichst zu vermeiden). Das Experiment kann beginnen. Werde ich die Aufgabe meistern und am Ende vor dem erwähnten Rohr stehen?

Noch ein Hinweis: In dem nachfolgenden Text mag man mir verzeihen, dass ich den Verlauf Richtung Quelle beschreibe und dabei immer mal wieder die Formulierungen der „Bach unterquert, schlängelt sich (oder ähnlich)“ verwende, obwohl das ja dann quasi flussaufwärts wäre. Natürlich kann selbst der Hachinger Bach nicht Richtung Quelle und auch nicht bergauf fließen. Aber es ließe sich anders nur sehr kompliziert ausdrücken, daher diese sprachliche Ungenauigkeit.

Das Einlaufbauwerk

Hachinger Bach
Der Hachinger Bach verschwindet im Einlaufbauwerk (06.10.2012) © Thomas Irlbeck
Hachinger Bach
Das kurze oberirdische Stück des Bachs in Josephsburg (06.10.2012) © Thomas Irlbeck

Ich starte am Einlaufbauwerk, das sich an der Kampenwandstraße befindet. Das Kleine Brauhaus Wilder Mann ist hier ganz in der Nähe. Das Gelände mit dem Einlaufbauwerk ist eingezäunt und durch Bewuchs nur schlecht einsehbar. Lediglich den Bach sieht man deutlich verschwinden, der dann auf der anderen Seite nicht mehr auftaucht und sich unterirdisch auf seine Reise gen Norden begibt. In dem kurzen Stück zwischen Einlaufbauwerk und Heinrich-Wieland-Straße hat der Bach immerhin ein würdevolles Bett.

Im Ostpark

Hachinger Bach
Der Bach überquert die Heinrich-Wieland-Straße. Hier ein Blick auf das kurze Stück (Blick nach Norden), das der Bach hier noch bis zum Einlaufbauwerk hat (06.10.2012) © Thomas Irlbeck

Nachdem der Bach die Heinrich-Wieland-Straße unterquert hat (Bild links), geht es ziemlich idyllisch durch den Ostpark. Es gibt diverse Brücken, auch Stellen, wo man nur mit Mühe auf einem kleinen Trampelpfad dem Gewässer folgen kann. Aber es lohnt sich. Ich zeige einfach mal einige der schönsten und typischsten Stellen. Bei einigen Bildern kann man kaum glauben, sich im künstlich angelegten Ostpark zu befinden. Es lohnt sich aber, die offensichtlichen Wege zu verlassen und dem Bach haut-, besser wassernah zu folgen.

Hachinger Bach
Der Ostpark: So künstlich angelegt … (06.10.2012) © Thomas Irlbeck
Hachinger Bach
… sieht der Park hier gar nicht aus (06.10.2012) © Thomas Irlbeck
Hachinger Bach
Im Ostpark: Eine der vielen Brücken über den Bach (06.10.2012) © Thomas Irlbeck

In Neuperlach West

Nachdem der Hachinger Bach die Staudingerstraße unterquert hat, fließt er am Adolf-Baeyer-Damm durch Neuperlach West. Das Ufer ist hier schön grün angelegt, aber das Ufer ist nicht so natürlich und wild wie im Ostpark. Hier steht jedoch das Erholungserlebnis der Bürger im Vordergrund, so führen an einer Stelle z.B. Betonstufen runter zum Bach (siehe die ersten drei Bilder). Unter der Ständlerstraße verlässt der Bach schließlich Neuperlach (letztes Bild).

Hachinger Bach
Der Hachinger Bach in Neuperlach West (06.10.2012) © Thomas Irlbeck
Hachinger Bach
Hier führen Stufen runter zum Ufer (06.10.2012) © Thomas Irlbeck
Hachinger Bach
Die Stufen nun von der anderen Seite (06.10.2012) © Thomas Irlbeck
Hachinger Bach
Hier lässt es sich wirklich gut aushalten (06.10.2012) © Thomas Irlbeck
Hachinger Bach
Auch das gibt es: eine der winzigen Inseln (06.10.2012) © Thomas Irlbeck
Hachinger Bach
Hier unterquert der Bach die Ständlerstraße (06.10.2012) © Thomas Irlbeck

Perlach – hier ist die Zeit stehen geblieben

St. Michael Perlach
St. Michael am Pfanzeltplatz (20.02.2021) © Thomas Irlbeck

Nach der Ständlerstraße schlängelt sich das Bächlein durch Perlach, also gewissermaßen Altperlach. Hier findet sich ein extrem abwechslungsreicher Verlauf. Es gibt wilde Stellen, aber auch gezähmte, bei denen der Bach fast schon trostlos in einer schnurgeraden Betonrinne dahinplätschert. Auffällig sind die vielen Brücken, von denen manche speziell nur für den Zugang von Einfamilienhäusern gebaut wurden. Einige der Brücken sind sehr simpel, andere aufwändiger und auch mit schwerem Gerät befahrbar.

St. Paulus Perlach
St. Paulus Perlach (30.03.2021) © Thomas Irlbeck

Die Häuser weisen meist sehr dörflichen Charakter auf, aber auch Neubauarchitektur, die verdächtig nach Einheitsarchitektur von der Stange aussieht, hat sich stellenweise breit gemacht. Einöde wechselt sich mit belebten Stellen ab. Das Zentrum ist natürlich der Pfanzeltplatz, wo auch ein Marktplatz und die meisten Läden angesiedelt sind. Viele der Geschäfte haben ihren ursprünglichen Charakter behalten, bei manchen scheint die Zeit in den 1960er-Jahren stehen geblieben zu sein.

Am Pfanzeltplatz treffen wir auch auf den ersten echten mystischen Ort, die 1728 errichtete barocke römisch-katholische Pfarrkirche St. Michael (siehe Bild links). Etwas weiter stadtauswärts – der Sebastian-Bauer-Straße folgend – kommen wir noch einmal an einer Kirche und damit an einem weiteren wirklichen mystischen Ort vorbei, der evangelisch-lutherischen St.-Paulus-Kirche (siehe Bild rechts).Es ist keine Kirche wie jede andere, es ist vielmehr die älteste evangelische Kirche Münchens. Sie wurde 1849 nach Plänen des Architekten Georg Friedrich Ziebland (* 1800; † 1873) gebaut. Von ihm stammen unter anderem auch die Staatlichen Antikensammlungen am Königsplatz.

Unter den S-Bahn-Gleisen verlässt der Bach schließlich das eigentliche Perlach. Jetzt geht es weiter durch Perlach Süd (nicht zu verwechseln mit Neuperlach Süd!).

Hachinger Bach
Eine natürlich wirkenden Stelle mit Insel (06.10.2012) © Thomas Irlbeck
Hachinger Bach
Hier wirkt der Bach arg kanalmäßig eingezwängt. Rechts oben sieht man noch einen Teil des alten Ballauf-Hofes (Holzwiesenstraße), der dann abgerissen und als Pflegeheim neu gebaut wurde (06.10.2012) © Thomas Irlbeck
Hachinger Bach
Hier in Perlach fühlt man sich noch fast wie auf dem Dorf (06.10.2012) © Thomas Irlbeck
Hachinger Bach
Pfanzeltplatz mit Marktplatz (rechts hinter den Bäumen) (06.10.2012) © Thomas Irlbeck
Hachinger Bach
Denkmalgeschützes Eckhaus an der Sebastian-Bauer-Straße – zweigeschossiger Putzbau mit Satteldach, einseitig mit Schopfwalm, und Eckturm mit Spitzhelm, Fachwerkgeschoss und Eisenbalkon, Neurokoko, um 1900 (06.10.2012) © Thomas Irlbeck
Hachinger Bach
Der Perlacher Hof – natürlich – in Perlach (06.10.2012) © Thomas Irlbeck

Perlach Süd – Idylle und eine geheimnisvolle Kapelle

Obwohl es in Perlach Süd ein Gewerbegebiet gibt, befinden sich am Bach die vielleicht idyllischsten Punkte überhaupt. Der Bach fließt dabei westlich der Unterbiberger Straße und parallel zu ihr. Am Ufer führt ein einfacher Pfad. An einigen Punkten läuft der Bach fast schon spektakulär durch Privatgrundstücke und ganz nah an Privathäusern vorbei. Es gibt viel zu entdecken – interessante Brücken, ein Baumhaus und ganz besonders geformte Bäume.

Am südlichsten Zipfel von Perlach kann ein weiterer echter mystischer Ort bestaunt werden, eine Kapelle gleich neben dem Bach. Leider ist „bestaunen“ schon fast zu viel versprochen, denn das Gotteshaus steht auf einem nicht zugänglichen, eingefriedeten Privatgrundstück. Das Wohnhaus und die Einrichtungen um das Haus herum machen nicht mehr den frischsten, ja fast schon einen verlassenen Eindruck. Dem Besucher bleibt leider nur ein Blick auf die Kapelle (siehe letztes Bild). Vielleicht weiß ja einer der Neuperlach.org-Leser mehr über die Kapelle.

Hachinger Bach
Jetzt wird es ziemlich privat (06.10.2012) © Thomas Irlbeck
Hachinger Bach
Noch mal sehr privat (06.10.2012) © Thomas Irlbeck
Hachinger Bach
Eine Brücke und ein Baumhaus (06.10.2012) © Thomas Irlbeck
Hachinger Bach
Baumhaus und Brücke aus der Nähe (06.10.2012) © Thomas Irlbeck
Hachinger Bach
Zäune sind doch keine Hindernisse für einen Bach! (06.10.2012) © Thomas Irlbeck
Hachinger Bach
Ein ganz besonderer Baum (06.10.2012) © Thomas Irlbeck
Hachinger Bach
Auch Brücken der einfachsten Art verbinden (06.12.2012) © Thomas Irlbeck
Hachinger Bach
Kapelle am Hachinger Bach (06.10.2012) © Thomas Irlbeck

Unterbiberg

Nun führt der Bachverlauf mich nach Unterbiberg, einem Ortsteil von Neubiberg. Hier hat der Bach richtig viel Platz. Es gibt einen Park und große Felder und es ist alles nicht so zugewachsen. Das erleichtert es auch, Bilder zu machen, die nicht wie die bisherigen den Bach vor einem eher unruhigen, grünen Hintergrund zeigen. Als Erstes komme ich an der Grundschule Unterbiberg vorbei, ein sehr farbenfrohes Gebäude, das bezeichnenderweise an der Straße „Am Hachinger Bach“ liegt. Als Nächstes führt mich mein Weg an der barocken römisch-katholischen Kirche St. Georg vorbei, dem bereits vierten mystischen Ort. Das dürfte rekordverdächtig für diese Reihe auf Neuperlach.org sein! Der Bau von St. Georg wurde 1725 begonnen und rund 20 Jahre später abgeschlossen. Der Friedhof ist übrigens noch viel älter, etwa 600 Jahre. Kurz hinter St. Georg verlasse ich den bebauten Teil von Unterbiberg. Nun wird es zunächst auf ein paar Metern fast so was wie wildromantisch, wenn man mal über die steinerne schnurgerade Kanalrinne hinwegsieht. Etwas weiter hinten wird der Bach begradigt über riesige Felder geführt. Hier sind noch keine Baumaschinen angerückt, um eine Neubausiedlung aus dem Boden zu stampfen, immerhin. Der Bach ist Hauptakteur in der Szenerie, ein Blick zurück auf St. Georg darf nicht fehlen. Nur das Rauschen der A8 im Hintergrund trübt die Stimmung.

Bald nähert sich der Bachverlauf der Autobahn. Und der Bach fließt unter der Autobahn durch. Das wäre eigentlich nicht schlimm, doch das Tunnelbauwerk hat nur einen engen Notdurchgang. Natürlich weiß ich, dass es noch andere Unter-/Überquerungsmöglichkeiten in der Nähe gibt, aber ich will ja direkt dem Bach folgen. Nur mit Mühe schaffe ich es, mein Rad in den schmalen Tunnel mit den scharfen abknickenden Mauern einzufädeln. Zum Glück leide ich nicht unter Klaustrophobie. Das gerade Stück lege ich sogar fahrend zurück, am Ende muss ich das Rad wieder ausfädeln. Geschafft!

Grundschule Unterbiberg
Die Grundschule Unterbiberg am Hachinger Bach (06.10.2012) © Thomas Irlbeck
Hachinger Bach
Der Hachinger Bach in Unterbiberg (06.10.2012) © Thomas Irlbeck
St. Georg, Unterbiberg
St. Georg in Unterbiberg (06.10.2012) © Thomas Irlbeck
Hachinger Bach
Unterbiberg: Hier wird es fast wildromantisch (06.10.2012)
Hachinger Bach
Südlich von Unterbiberg, Blick zurück auf St. Georg (06.10.2012) © Thomas Irlbeck
Hachinger Bach
Unterbiberg, im Hintergrund die A8 (06.10.2012) © Thomas Irlbeck
Hachinger Bach
Begradigter Hachinger Bach in Unterbiberg (06.10.2012) © Thomas Irlbeck
Hachinger Bach
Kurz vor der Autobahnunterführung ein Blick zurück (06.10.2012) © Thomas Irlbeck
Hachinger Bach
Nicht vertrauenerweckend, aber da „muss“ ich durch (06.10.2012) © Thomas Irlbeck
Hachinger Bach
Unterführung unter der A8: Bequem ist was anderes (06.10.2012) © Thomas Irlbeck
Hachinger Bach
Schon etwas knapp (06.10.2012) © Thomas Irlbeck

Unterhaching

Nach der unbequemen Tunnel-Tour bin ich nun auf der anderen Seite, die zu Unterhaching gehört. Hier führt der Bach erstmals durch einen Ort, wo sich der Name des Baches auch im Ortsnamen findet. Doch die Freude währt nur kurz, der Bach verschwindet nach wenigen Metern in einem sehr gut eingezäunten Grundstück. Da geht es endgültig nicht mehr weiter, auch nicht so einfach an der Seite vorbei. Ich schaue mich ein wenig um. Ich befinde mich auf einem riesigen Parkplatz, auf dessen Ende das Geothermiekraftwerk Unterhaching liegt. Über den Parkplatz komme ich zu einer Hauptstraße, der Biberger Straße. Würde ich dieser folgen, würde ich sicherlich bald wieder auf den Bach treffen. Doch mir läuft die Zeit davon. Viel zu lange habe ich für die vielen Fotostopps gebraucht. Auch schlägt das Wetter nun so langsam um.

Hachinger Bach
Unterführungsbauwerk für Schlanke: Da kam ich … (06.10.2012) © Thomas Irlbeck
Hachinger Bach
… tatsächlich raus. Jetzt aber weiter! (06.10.2012) © Thomas Irlbeck
Hachinger Bach
Hier geht‘s nicht mehr weiter. Und nun? (06.10.2012) © Thomas Irlbeck
Hachinger Bach
Endstation Geothermiekraftwerk Unterhaching (06.10.2012) © Thomas Irlbeck

Fazit

Das Projekt Wasserrohr-Lokalisierung ist daher erst einmal gescheitert, aber gesehen habe ich dennoch eine Menge Interessantes. Einen mystischen Ort auf Neuperlacher Gebiet habe ich allerdings, wenn man strengste Maßstäbe anlegt, wieder nicht gefunden, es sei denn, man lässt den Bach als Ganzes durchgehen, wie ich es am Anfang angedeutet habe. Aber es wird sicherlich eines Tages noch einen 9. Teil der Serie geben. Dann werden die Karten neu gemischt.

Am Ende noch ein kleines Zuckerl:

Das Michaeli-Gymnasium hat gleich zweimal einen Bezug zum Hachinger Bach

Michaeli-Gymnasium
Michaeli-Gymnasium. Foto: Rufus46 / Lizenz: CC BY-SA 3.0)

Das 1971 gegründete staatliche Michaeli-Gymnasium im Stadtteil Josephsburg, der zum Stadtbezirk Berg am Laim gehört, liegt nicht nur in der Nähe des Hachinger Bachs, genauer an dem erwähnten Einlaufbauwerk, sondern hat auch eine passende postalische Adresse. Man würde sich für eine Schule von Weltruf, die rund 1.300 Schüler und rund 100 Lehrkräfte beheimatet, einen Straßennamen wie etwa Heinrich-Mann-Straße oder Albert-Einstein-Allee wünschen, doch der Betonbau liegt an der Hachinger-Bach-Straße 25. Mit etwas Augenzwinkern betrachtet nimmt der verniedlichende Name dem renommierten Gymnasium etwas von seinem Weltstadtflair. Aber München ist ja vielleicht gar keine Weltstadt, sondern eher ein Weltdorf und durch den Straßennamen wird die Schule wiederum etwas Besonderes. Sicherlich wird schon der eine oder andere mit angelsächsischen Wurzeln die Adresse falsch als „Häjtschinger Bach“ ausgesprochen haben.

Eine weitere Eigenheit des Gebäudes ist, dass man aus Gründen der Kostenersparnis das gleichzeitig im Stadtteil Fürstenried entstandene Thomas-Mann-Gymnasium nach exakt den gleichen Bauplänen errichtetet hat. Ähnliches findet man auch in Neuperlach – auch dort sehen sich die meisten Schulen zum Verwechseln ähnlich, etwa die Grundschule am Karl-Marx-Ring, die Grundschule an der Kafkastraße und (früher, vor dem Umbau) die Wilhelm-Röntgen-Realschule an der Klabundstraße. Effizienz ist alles.

Kunst

Die Bachmühle in Taufkirchen
Die Bachmühle in Taufkirchen. Bild: Festring Perlach

Der Hachinger Bach im Winter 2021

Unser Hachinger Bach heute – im Ostpark. Wir sind ganz nahe an der Stelle, an der der Bach unter der Heinrich-Wieland-Straße verschwindet. Wir sind hier noch in Neuperlach (Fotostandpunkt), das andere Bachufer liegt bereits in Ramersdorf. Mehr zum Thema im Artikel „Über Neuperlach ins Schwarze Meer: Der Hachinger Bach“

Hachinger Bach
Hachinger Bach im Ostpark (09.01.2021) © Thomas Irlbeck
Hachinger Bach
Hachinger Bach im Ostpark (09.01.2021) © Thomas Irlbeck
Hachinger Bach
Hachinger Bach im Ostpark (09.01.2021) © Thomas Irlbeck
Hachinger Bach
Hachinger Bach im Ostpark (09.01.2021) © Thomas Irlbeck
Hachinger Bach
Hachinger Bach im Ostpark (09.01.2021) © Thomas Irlbeck

Quellen (nicht die des Baches)

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Wasserburg: Empfang ohne großen Bahnhof – Die „unterbrochene“ Altstadtstrecke und ein Experiment

Schienenbus zwischen Edling und Brandstätt
Schienenbus zwischen Edling und Brandstätt bei einer Sonderfahrt der Freunde Historischer Eisenbahn Mühldorf e.V. (14.09.2008). Foto: GeorgR (de) / Lizenz siehe: Wikipedia

Es ist die Bahnstrecke, an die ich aus meiner Kindheit die stärkste Erinnerung habe – der sogenannte Filzenexpress. Der Name leitet sich aus den früheren Hochmooren (bairisch: Filz) im Ebrachtal ab (nahe Ebersberg), durch das die Strecke führt. Meine Eltern hatten eine Ferienwohnung in Oberbierwang. „Ober… wie bitte“? Es wird Ihnen jetzt wahrscheinlich nicht helfen, wenn ich sage, dass es sich um einen Nachbarort des tiefer gelegenen Ortes Unterbierwang handelt. Erleuchtender ist da schon die Tatsache, dass der Ort in der Nähe von Wasserburg am Inn liegt. Dass im Ortsnamen „Bier“ enthalten ist, fand ich immer lustig. Bei der Fahrt mit dem Automobil zur Ferienwohnung wurde meistens am Burenwirt in Reitmehring gegessen, einem Ortsteil von Wasserburg. Neben dem guten Essen genoss ich es immer, dass der Biergarten unmittelbar an den Gleisen liegt, unweit des Bahnhofs Wasserburg Bahnhof (Reitmehring). Hier kreuzen sich zwei Nebenbahnlinien, eben der Filzenexpress (Grafing – Wasserburg Bahnhof (Reitmehring) – Wasserburg Stadt) und die Bahnstrecke Rosenheim – Mühldorf. Für eine Nebenbahnstrecke war da viel Verkehr, die Stelle ein regelrechter Knotenpunkt, die Schranken gingen laufend runter. Ich schaute immer den Schienenbussen zu.

Damals, in den frühen 1970er-Jahren, war das Bahnfahren nicht mehr schick. Ganz Deutschland war automobil geworden, der autogerechte Stadtteil Neuperlach (der ganz nebenbei auch fußgänger- und fahrradgerecht war, was oft übersehen wird) aus dem Boden gestampft worden. Die Bahn litt an chronischem Fahrgastmangel. Die Schienenbusse sollten die Bahn eigentlich retten, längere Züge mit höherer Kapazität konnte man vielerorts nicht mehr vertreten. Eine andere Bezeichnung für Schienenbus ist daher passenderweise Nebenbahnretter.

Wasserburg am Inn
Foto: Allie_Caulfield / Lizenz siehe: flickr

Die Bahnstrecke Grafing – Wasserburg war zudem eine richtige Bummelbahn. Die vielen unbeschrankten Bahnübergänge und unübersichtlichen Stellen ließen oft nur Mopedgeschwindigkeit und weniger zu. Es war kein Geheimnis, dass die Bundesbahn damals die Strecke am liebsten stilllegen wollte. Dabei war speziell der 1902 eröffnete Abschnitt Reitmehring – Wasserburg spektakulär. Die Bahn fuhr in einem Bogen runter ins Inntal, in die Wasserburger Altstadt. Auf der 4,4 km langen Strecke werden 55 Höhenmeter überwunden. Dabei lief der letzte Streckenabschnitt vor der Altstadt direkt neben dem Inn, kurz vor dem Bahnhof ging es durch einen kurzen Tunnel. Der Blick, die Landschaft, all dies war und ist phantastisch.

Umgebungskarte Wasserburg am Inn
Umgebungskarte Wasserburg am Inn. Die Bahnstrecke zur Altstadt ist hier als gestrichelte Linie eingezeichnet (markiert durch den roten Pfeil). Quelle: OpenStreetMap, Lizenz: Open Database License 1.0

1987 kam der Bundesbahn die Natur zur Hilfe. Nach einem Erdrutsch etwa 1 Kilometer vor dem Stadtbahnhof war die Bahnlinie nicht mehr befahrbar, die Schienen hingen in der Luft. Anstatt die Stelle zu reparieren, tat man: nichts. Man wollte den gesamten Filzenexpress loswerden. Doch es kam anders, auch aufgrund von Bürgerprotesten. Noch heute fährt der Filzenexpress, jetzt mit modernen Zügen der Baureihe 628. Viele Bahnübergänge wurden modernisiert oder aufgelassen. Nun soll sogar ein Stundentakt kommen, hierzu soll der Haltepunkt Steinhöring zu einem Kreuzungsbahnhof umgebaut werden. Allerdings gibt es immer noch unbeschrankte Bahnübergänge und gefährliche Stellen, was entsprechende Langsamfahrstellen bedeutet. Die größte Einschränkung ist, dass die Strecke runter zur Altstadt immer noch unterbrochen ist. Offiziell stillgelegt wurde die Strecke nie, sie gilt tatsächlich nur als „unterbrochen“.

Seit Jahrzehnten wird diskutiert, ob man die Altstadtstrecke wiederherstellen soll. Im Falle einer endgültigen Stilllegung denkt man darüber nach, die Strecke in einen Radweg umzubauen.

Pro und Contra Wiederaufbau Altstadtstrecke

Pro

  • Es ergibt wenig Sinn, eine Bahnstrecke wenige Kilometer vor dem eigentlichen Ziel enden zu lassen. Wer in die Altstadt will, muss den Bus benutzen, was wenig komfortabel ist, auch durch den Zeitverlust durch das Umsteigen, die Zwischenhalte, Umwege und Schleifenfahrten.
  • Die Altstadtstrecke macht Wasserburg für Touristen attraktiver. Es fiele ein Umsteigevorgang weg, die Fahrzeit würde sich verkürzen. Es geht aber nicht nur um eine Fahrzeitverkürzung, sondern auch um die herrliche Landschaft. Der Wert liegt also auch in einem Fahrerlebnis. Es darf nicht immer nur ums liebe Geld gehen. Ich möchte das große Wort Weltkulturerbe nicht überstrapazieren, für mich ist die Bahnstrecke aber so was Ähnliches wie ein Weltkulturerbe, das man erhalten bzw. wiederherstellen sollte. Durch die Bahnstrecke wird Wasserburg einfach in jedweder Beziehung aufgewertet.

Contra

  • Der Altstadtbahnhof hat nur einen geringen Erschließungscharakter. Die Altstadt wird zwar erreicht, aber die hauptsächlichen Wohnquartiere liegen abseits, ebenso das beliebte Spaßbad BADRIA, das Gymnasium und die Spitäler. Für all das braucht man also weiterhin den Bus. Viele der angefahrenen Ziele sind sogar von Wasserburg Bahnhof, also Reitmehring, besser zu erreichen als vom Altstadtbahnhof aus, selbst wenn man Letzteren zu einem optimalen Umsteigebahnhof macht. Zwischen Wasserburg Stadt und Reitmehring führt die Bahnlinie zudem nicht durch erschlossenes Gebiet. Es gibt kaum Wohnhäuser und andere Einrichtungen. Entsprechend würde auch kein Zwischenhalt großartigen Erschließungscharakter aufweisen, dennoch wurde auch eine Variante mit Zwischenhalt in der Antoniussiedlung untersucht (1 km vom Reitmehringer Bahnhof entfernt).
  • Die Bahnstrecke führt durch das Betriebsgelände von Meggle einem milch- und molkeverarbeitenden Konzern in Reitmehring. Meggle hat sich gegen eine Wiederinbetriebnahme ausgesprochen, auch weil man Erweiterungspläne habe, die Bahn wäre dann hinderlich. Die Bahnstrecke im Betriebsgelände ist aber Bahneigentum, Meggle muss faktisch kooperieren. Es wurde aber auch schon geprüft, ob das Betriebsgelände umfahren werden kann.
  • Die Strecke wird als nicht wirtschaftlich angesehen. Bei einer standardisierten Bewertung ergab sich nur ein enttäuschender NKF (Nutzen-Kosten-Faktor) von 0,13 bis 0,2, je nach Szenario. Der Schwellenwert für die Wirtschaftlichkeit liegt bei 1,0. Ein NKF von 1,1 bedeutet z.B., dass der Nutzen 1,1 Mal höher ist als die Kosten. Ein Faktor von >1,0 ist auch Voraussetzung für die Gewährung von staatlichen Fördermitteln.

Der aktuelle Stand

Bahnstrecke Grafing – Wasserburg
Bahnstrecke Grafing – Wasserburg. Bild: Vuxi / Lizenz siehe: Wikipedia

Noch diesen Herbst könnte es eine Entscheidung geben, ob die Strecke reaktiviert wird. Die Reaktivierung würde laut Gutachten „Untersuchung der Reaktivierungsmöglichkeiten der Bahnstrecke Wasserburg Stadt – Wasserburg Reitmehring mit vereinfachtem Projektdossierverfahren zur Standardisierten Bewertung von Verkehrswegeinvestitionen des öffentlichen Nahverkehrs“ (Dokument nicht mehr verfügbar) vom Dezember 2010 etwa 11 Millionen EUR kosten. 2011 beschloss der Wasserburger Stadtrat in Anbetracht der geringen Wirtschaftlichkeit einer Reaktivierung, ein Stilllegungsverfahren einzuleiten. Eine Stilllegung ist aber rechtlich nur möglich, wenn sich kein Unternehmen für den Betrieb der Strecke findet. Inzwischen haben aber zwei Unternehmen Interesse für einen Betrieb bekundet. Es scheint nicht ausgeschlossen, dass die Stadt Wasserburg nun die Strecke auf eigene Kosten instandsetzen muss. Einer der Interessenten ist die Bayernbahn, die bereits ein grobes Konzept hat: einen Wochenendbetrieb mit den alten Schienenbussen, vor allem für Touristen. Später wäre dann eventuell auch ein täglicher Betrieb möglich.

Das Experiment

Vor zwei Wochen habe ich mir mal die Strecke bzw. das, was von ihr noch übrig ist, im Rahmen einer Radtour angeschaut. Ich wurde gewarnt, die Strecke sei kaum zugänglich, schon gar nicht mit dem Rad abfahrbar. Immerhin sei sie ja 1987 wieder der Natur überlassen worden. Aber Herausforderungen sind ja nicht schlecht. Schaffe ich es vom alten Stadtbahnhof bis zum Firmentor von Meggle?

Bei der Gelegenheit habe ich natürlich auch auf die bestehende Strecke Ebersberg – Wasserburg Bahnhof einen Blick geworfen. Also geht es mit dem Rad erst einmal nach Ebersberg und von dort weiter an der Bahnstrecke entlang.

Bahnstrecke Ebersberg – Wasserburg Bahnhof (Reitmehring)

Die Reihenfolge der Bilder entspricht dem Streckenverlauf in Richtung Wasserburg Bahnhof.

Bahnübergang nahe Steinhöring
Ein Bahnübergang zwischen Ebersberg und Steinhöring (nahe Steinhöring). Hier hat der Feldweg, der beim Einmünden auf die Fahrbahn die Schienen schon fast berührt, eine eigene Warnblinkanlage. Sicher nicht einzigartig, aber auch nicht gerade oft zu sehen (17.08.2012) © Thomas Irlbeck
Stillgelegter Bahnübergang zwischen Tulling und Steinhöring.
Ein offenbar stillgelegter Bahnübergang zwischen Tulling und Steinhöring. Die Stelle ist sehr unübersichtlich (17.08.2012) © Thomas Irlbeck
Unbeschrankten Bahnübergang in Tulling
Neben beschrankten Bahnübergängen gibt es immer noch solche Konstruktionen, nur das Andreaskreuz weist auf die Gefahr hin, eine Warnblinkanlage fehlt. Wir befinden uns direkt im Ortsgebiet von Tulling (17.08.2012) © Thomas Irlbeck
628 zwischen Tulling und Forsting
Auf der Strecke verkehren Triebwagen der Reihe 628. Zischen Tulling und Forsting kommt uns einer entgegen (17.08.2012) © Thomas Irlbeck
Wasserburg Stadttor
In Wasserburg angekommen, über die Inn-Brücke gefahren und Richtung Altstadt geblickt. Wird diese herrliche Stadt bald wieder einen Schienenanschluss haben? (17.08.2012) © Thomas Irlbeck
Wasserburg Stadttor
Näher dran: das Stadttor, genauer das „Brucktor“(17.08.2012) © Thomas Irlbeck

Bahnstrecke Wasserburg Stadt – Wasserburg Bahnhof (Reitmehring)

Jetzt schauen wir uns nun die alte Strecke beginnend vom Stadtbahnhof an.

Stadtbahnhof Wasserburg
Wir starten am alten Bahnhof. Von der Bahnstrecke ist hier fast gar nichts mehr zu erkennen (17.08.2012) © Thomas Irlbeck
Stadtbahnhof Wasserburg
Ein Blick zurück zum alten Bahnhof. Hier irgendwo lief die Strecke. Man kann den Verlauf nur noch erahnen (17.08.2012) © Thomas Irlbeck
Tunnel Wasserburg
Hier kommen wir der Sache schon näher, denn durch den Tunnel musste das Bähnle ja durch. Aber wo sind die Schienen? (17.08.2012) © Thomas Irlbeck
Tunnel Wasserburg
Der Tunnel wir nun als Rad- und Fußweg genutzt, noch immer sind keine Schienen zu sehen (17.08.2012) © Thomas Irlbeck
Tunnel mit Gleisstück, Wasserburg
Endlich erscheint das erste Stück Schiene. Im Tunnel ragt doch tatsächlich ein Gleisstück aus dem Boden (17.08.2012) © Thomas Irlbeck
Tunnel Wasserburg
Im Tunnel mit Blick Richtung Inn-Ufer, also stadtauswärts. Auch hier kann man die Strecke kaum mehr erahnen (17.08.2012) © Thomas Irlbeck
Tunnel Wasserburg
Der herrliche Tunnel noch einmal mit einem Blick zurück (17.08.2012) © Thomas Irlbeck
Inn-Ufer, Wasserkraftwerk Wasserburg
Hier im Bild rechts lief die Strecke. Man sieht aber fast nichts mehr von ihr. Dafür ist das „Wasserwerk Wasserburg“ unübersehbar (17.08.2012) © Thomas Irlbeck
Inn-Ufer, Wasserwerk Wasserburg
Links das Wasserwerk, rechts sollte irgendwo die alte Strecke sein. An dieser Stelle bin ich mir nicht sicher, ob sie nicht vielleicht wenige Meter weiter rechts ist, da das Gestrüpp praktisch undurchdringlich ist. Laut den alten Karten lief/läuft die Strecke sehr nahe am Inn-Ufer (17.08.2012) © Thomas Irlbeck
Inn-Ufer
Hier wäre es aber nun tatsächlich zu eng für die Bahn. Tatsächlich führt die Strecke unmittelbar neben dem Randstein im Bild rechts. Die Natur hat sich alles zurückerobert. Die Stelle, die man hier sieht, soll eine Art Verladerampe auf freier Strecke gewesen sein, um Großteile, etwa Turbinen oder Transformatoren, zum Inn-Kraftwerk zu bekommen oder von dort wegzutransportieren. Die Kranbahn des Wasserwerks reicht weit genug nach außen, um mit dem Kraftwerkskran Dinge an diese Stelle heben zu können (17.08.2012) © Thomas Irlbeck
Inn-Ufer, Wasserkraftwerk Wasserburg
Inn-Ufer, Wasserkraftwerk Wasserburg (17.08.2012) © Thomas Irlbeck
Gleise Wasserburg
Zwängen wir uns doch mal rein in das Dickicht. Tatsächlich liegen hier Gleise! (17.08.2012) © Thomas Irlbeck
Wasserburg Erdrutsch, schwebende Gleise,
Man könnte dies für die Stelle mit dem Erdrutsch halten. Doch es handelt sich nicht um die Hauptstelle, wie wir noch sehen werden. Die Stelle hier hat es aber ziemlich gleichzeitig erwischt. Neben dieser Stelle soll es noch zwei weitere kleinere Stellen geben, wo sich das Gleisbett verflüchtigt hat (17.08.2012) © Thomas Irlbeck
Wasserburg Erdrutsch, schwebende Gleise
Auf den Gleisen. Zumindest mich tragen sie, ohne dass etwas sichtbar/fühlbar ins Schwingen gerät (17.08.2012) © Thomas Irlbeck
Schild Wasserburg Inn Bank
Regelmäßige Neuperlach.org-Leser kennen dieses Foto bereits aus einem anderen Beitrag). Die Bahnstrecke verlief nur wenige Meter weiter hinten. Das Schild hat mit der Bahnstrecke nichts zu tun, es gehört zur Inn-Schifffahrt und warnt vermutlich vor dem nahen Wasserkraftwerk. Das Schild ist so groß, damit es die Kapitäne auch aus größerer Entfernung sehen können (17.08.2012) © Thomas Irlbeck
Gleise, Wasserburg
Die Gleise in der Nähe der Bank, die wir gerade sahen. Doch sie enden hier. Hier war der eigentliche Erdrutsch. Man hat die Gleise auf einem Teilabschnitt abgetrennt und entfernt (17.08.2012) © Thomas Irlbeck
Gleise, Wasserburg
Hier ist die Abtrennstelle sehr gut zu sehen (17.08.2012) © Thomas Irlbeck
Schlucht, Wasserburg
Jetzt das eigentliche Problem. Vor uns liegt eine recht tiefe Schlucht. Die Stelle ist unüberwindbar, es geht fast senkrecht runter, unten plätschert ein Bach. Auch zu Fuß käme ich hier nicht weiter, es sei denn, ich hätte eine  Bergsteigerausrüstung (17.08.2012) © Thomas Irlbeck

Der Erdrutsch

Wer das vorige Bild ganz genau betrachtet, sieht auf der anderen Seite der Schlucht die Schienen weitergehen (Bildmitte). Da möchte ich eigentlich hin. Aber, das war’s! Das Vorhaben, die ganze Strecke abzufahren, ist erst einmal gescheitert.

Erdrutsch Wasserburg
Die Stelle mit dem Erdrutsch. Da oben geht es weiter nach Reitmehring (10.03.2008) © Michi Greger

Dass man nicht viel sieht, liegt logischerweise daran, dass im Sommer das Grünzeug besonders stark wuchert. Michi Greger aus dem Eisenbahnforum war dagegen 2008 zu einer günstigeren Jahreszeit an dieser Stelle. Vielen Dank an ihn für die Erlaubnis, seine Bilder hier zu zeigen. Auch stammen viele wertvolle Informationen für diesen Artikel von ihm.

Erdrutsch Wasserburg
Die gleiche Stelle oben von der Reitmehringer Seite aus gesehen (10.03.2008) © Michi Greger

Die Gleise sollen nach dem Erdrutsch noch eine Weile in der Luft gehängt sein, dann aber schnell abgetrennt und von der Reitmehringer Seite hochgezogen worden sein. Aufgestapelte, verbogene Gleise sollen oberhalb der Abbruchstelle davon zeugen. Das rechte Bild zeigt übrigens das abgerissene Fernsprechstreckenkabel, es hängt von der rechten Schiene nach unten.

Die Stelle mit dem Erdrutsch demonstriert auch, wieso es überhaupt zu der Zerstörung der Bahnstrecke gekommen ist. Hier fließt ein Bach, nicht mal 50 cm breit und tief, der aber bei Schneeschmelze und heftigem Regen stark anschwellen kann. Nach damals üblicher billiger Lokalbahnmanier hat man auf ein Brückenbauwerk verzichtet und nur einen Damm aufgeschüttet, der unten mit einem kleinen Wasserdurchlauf versehen war. Es ist klar, dass der Durchlauf durch Äste, Blätter, angeschwemmte Erde etc. verstopfen kann. Aus dem Damm wurde dann am Unglückstag ein Staudamm, der den Wassermassen irgendwann nachgab. Mit einem vernünftigen Brückenbauwerk wäre es wohl kaum zu der Zerstörung des Streckenteils gekommen. Bei einem Wiederaufbau sollte daher ein adäquates Brückenbauwerk realisiert werden. Das Gutachten geht auch von einem Brückenbauwerk aus und sieht einen Damm mit Durchlass nur als mögliche Option, die noch zu überprüfen wäre.

Wie auch immer, für mich war an der Stelle mit dem Erdrutsch Endstation, hoffentlich kein schlechtes Omen für die Bahn.

Update 15.10.2016

Gestern bin ich das erste Mal in meinem Leben mit dem Filzenexpress gefahren. Auch wenn ich was darüber geschrieben habe (wie man an diesem Artikel sieht), waren es immer Beobachtungen von außen, aber drin war ich nie.

Ich muss sagen, dass er sehr schnell geworden ist. Man ist gefühlt sehr schnell in Wasserburg. An einigen Stellen fährt er sogar jetzt 80 km/h! Leider gibt es immer noch einige ungesicherte Übergänge an Feldwegen.

Beschleunigt und Stundentakt

Der Einbau eines Ausweichgleises Bahnhof Steinhöring der Strecke ermöglicht jetzt den Stundentakt. (Ab Dezember dieses Jahres wird dieser auch am Wochenende eingeführt.)

Die Fahrt ist landschaftlich sensationell, auch die endlosen lang gezogenen Kurven ermöglichen einen guten Blick nach vorne von den Seitenfenstern aus.

Im MVV!

Das Filzenexpress seit einem Jahr im MVV ist, brauchte ich mir nur eine MVV-Tageskarte für den Außenraum für 6,40 Euro zu kaufen. (Für den Innenraum habe ich eine IsarCard im Abo.)

Das große Problem ist die nach wie vor unterbrochene Altstadtstrecke. Also in Wasserburg Bahnhof auf den Stadtbus warten, da geht viel Zeit verloren. Auch kurvt der Bus überall herum, nur nicht auf direktem Weg in die Altstadt.

Stadtbus Wasserburg Bahnhof-Wasserburg Stadtbahnhof

Der Bus kostet pro Fahrt 1,50 Euro, egal wie weit man fährt. Obwohl die Bahnstrecke zum Stadtbahnhof theoretisch im MVV ist, muss man blechen. Ein Fahrgast versuchte sich, mit einem MVV-Ticket am Buslenker vorbeizuschummeln. Der war aber aufmerksam und rief ihn mit den Worten „Das ist MVV-Ticket. Das habe ich ganz genau gesehen!“ zurück.

Kurios wirkt im Zeitalter der Rationalisierung, dass der Buslenker selbst kassiert. Das gibt es in München seit Urzeiten nicht mehr. Automaten für Busfahrkarten gibt es wohl keine, ich habe zumindest keine gesehen.

Kaum noch Hoffnung für die Altstadtstrecke

Leider gibt es für einen Wiederaufbau der spektakulären Strecke zum Stadtbahnhof seit dem Stilllegungsbescheid des Bayerischen Verkehrsministeriums Anfang 2016 kaum mehr Hoffnung.  Es war eine der schönsten Bahnstrecken Bayerns.

Auch wenn ich weiter oben geschrieben habe, dass der Altstadtbahnhof etwas abseits liegt, muss ich das relativieren. Man ist zu Fuß in wenigen Minuten im Zentrum und erreicht zumindest in der Altstadt alles ausreichend. Das Badria am anderen Inn-Ufer ist natürlich ausgenommen, da bräuchte man den Bus.

Einzige bekannte Zug-Abfahrt aus Wasserburg Stadt (Szene aus TV-Film)

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Requiem – in Erinnerung an das Plett-Zentrum

Viele sahen und sehen im Plett-Zentrum eine Betonbausünde aus den 1960er-Jahren, der man keine Träne nachweinen sollte. Doch dies wird dem Bau nicht gerecht. Denn der Gebäudekomplex war etwas Besonderes, er war durchdacht, er hatte seine berühmten Vorbilder und nahm Anleihen bei Stararchitekten. Vieles ist jedoch dem Normalsterblichen nicht bekannt und kann auch nicht mehr erkundet werden, da der Bau schlicht nicht mehr existiert – zum Zeitpunkt dieses Artikels liefen bereits die Abrissaktivitäten des verbliebenen Westteils. Speziell für Interessierte, die den ursprünglichen Bau nie oder nur flüchtig gesehen haben, ist es schwer, mehr zu erfahren. Auch hat nicht jeder das erforderliche architektonische Hintergrundwissen, ebenso sind manche Details nur mit aufwändiger Recherche in Erfahrung zu bringen, wenn sie überhaupt öffentlich zugänglich sind. So weist der Bau einige bemerkenswerte Raffinessen auf. Außerdem war das Plett-Zentrum in stärkerer Weise als Zentrum Neuperlachs konzipiert, als es gemeinhin bekannt ist. Bruno Tamborino entführt uns in die Entstehungsgeschichte des Baus und bringt uns in diesem hochinteressanten Artikel dessen Charakteristika und Eigenheiten nahe. Mit dieser Beschreibung liefert der Autor ein Plädoyer für den Erhalt vergleichbarer Gebäude, im Besonderen in Neuperlach.

Neuperlach 1967 bis 1970
Bild 1: Das Plett-Zentrum (ca. 1970). Foto: Christoph Wimber

Thomas Irlbeck

Über den Autor Bruno Tamborino (* 1969) lebte von 1974 bis 1987 in Neuperlach und hat mit starkem Interesse sämtliche Bau- und Umgestaltungsmaßnahmen in Neuperlach Mitte und Nord erlebt, heute lebt er in Italien. Er hat ein kleines Privatarchiv, bestehend aus Fotos, Postkarten, Zeichnungen und Bauplänen, mit persönlichen Aufzeichnungen und war immer daran interessiert, was aus Perlach Nord am besten werden könnte. Er ist ab der 5. Klasse im Werner-von-Siemens-Gymnasium zur Schule gegangen und war deshalb täglich in Perlach Nord unterwegs. 1983 schlug er der Neuen Heimat einen Neuanstrich für ein Haus vor, dieser Vorschlag wurde dann in der lokalen Wochenzeitung „Hallo“ veröffentlicht, aber nicht ausgeführt. Er hat auch ein Modell von einem Haus in Neuperlach gebaut und in Neuperlach 1985 ausgestellt und Daten für weitere Modellgebäude gesammelt.

Der Zweck dieses Beitrages ist, vom Plett-Zentrum eine Erinnerung zu erhalten und die Gründe seines Verschwindens zu verstehen.

Neue Heimat/Plett-Zentrum 2007
Bild 2: Das Plett-Zentrum (2007). Foto: Bruno Tamborino

Das Plett-Zentrum ist nach zirka 40 Jahren Existenz nur noch Erinnerung und das ist sehr schade. Die Hoffnung dieses Beitrages ist, dass, nachdem dieser Bau lieblos behandelt und recht flott abgebrochen wurde, dies nicht auch anderen Gebäuden in Neuperlach droht. Trotz einer sehr traurigen Indifferenz der Leute, die doch mit und in diesen Bauten aufgewachsen sind, stellen diese für viele ein Stück Heimat dar, das jetzt verschwindet, obschon man es schützen sollte.

Geschichte

Plett-Zentrum Zeichnung
Bild 3: Von oben links zeilenweise nach unten sieht man die Ostfassade, daneben die Westfassade mit Laderampe, die Südfassade mit den Kellerfenstern und die Nordfassade mit den Treppen und den Einfahrten. Alles ist im Ursprungszustand noch ohne Brücke an der Südseite, aber mit der Space Churn. Auch die dunklen Brüstungsabdeckungen gab es anfangs noch nicht. In Rot unterstrichen ganz unten ist der zuletzt noch stehende Bauteil markiert. Zeichnung: Bruno Tamborino

Das Plett-Zentrum war 1967 schon ganz geplant (siehe das Titelbild und Hauptillustration vom Buch „Entlastungsstadt Perlach in München“, herausgegeben 1967 von der Neuen Heimat), es wurde aber erst ein oder zwei Jahre nach den Wohnhäusern in seiner Umgebung zusammen mit dem noch bestehenden gegenüberliegenden Bürohaus eingeweiht. 1971 bezog also die Neue Heimat Bayern ihr neues Verwaltungshaus, es kamen aber auch Geschäfte, ein Restaurant und eine Filiale der Stadtbibliothek München in das Zentrum. Es waren der Ayinger Hof, ein Rewe-Supermarkt, die Papeterie Perlach, ein Solarium mit Kosmetikstudio und andere Geschäfte, die recht bald wieder verschwunden sind oder ihre Identität geändert haben, wie z.B. ein Tapetengeschäft. Der mittlere Teil des Plett-Zentrum bestand aus einem großen, offenen Platz, auf den auf einer Seite der Eingang der Verwaltung der Neuen Heimat schaute, auf der anderen Seite waren Geschäfte. Die Eingänge und Vitrinen aller Geschäfte (auch des Restaurants und der Bibliothek) bildeten drei Fronten, zwei schauten auf eine offene Passage, die andere auf diesen Platz. Der Platz war wie das ganze Hochparterre des Plett-Zentrum zirka 2,60 Meter über dem Straßenniveau. An seinen zwei gegenüberliegenden Seiten grenzten ihn nur zwei schmale Dachstreifen optisch ein und hier stand ab 1972 die Space Churn (Raumspindel, auch als Neuperlach Mobile bekannt), das Wahrzeichen Neuperlachs.

Plett-Zentrum Grundriss Zeichnung
Bild 4: Hochparterre-Grundriss des Plett-Zentrum. Man erkennt in Schwarz die Säulen in versetztem Doppelraster, alle parallelen Säulen stehen in 10,50 Meter Abstand. In Orange die Räume im Hochparterre, in Rot und Violett die Obergeschosse der Büros, rechts die Geschäfte. In Hellblau die Bedachung der Freiflächen im Hochparterre. Die gestrichelten Linien deuten schematisch die Tragebalken der Decke an, alle habe ich nicht rekonstruieren und einzeichnen können. Zeichnung: Bruno Tamborino

Anfang der 1980er-Jahre wurde die Fußgängerbrücke über die Ständlerstraße gebaut, als auch das Konzerngebäude der Vereinte Versicherung (damals noch Vereinigte Versicherung) und das pep fertig waren. Als Durchgang zur Brücke wurden die Brüstung und der Blumentrog hier unterbrochen, welche vorher durchgehend waren, obwohl diese Brücke schon von Anfang an geplant war. In der ersten Hälfte der 1980er-Jahre wurde der Bau auch einer Pflege unterzogen, bei der die vertikalen Brüstungsplatten per Hochdruckwasserstrahl gesäubert wurden und vor allen Dingen die Oberkanten dieser Platten mit optisch angepassten, dunklen Aluminiumprofilen geschützt wurden. 1986 wurde die Neue Heimat aufgelöst und die WSB Bayern zog ein, entsprechend wurde auch das große „NH“-Logo am Obergeschoss des Verwaltungsbaus durch ein „WSB“-Logo ersetzt.

1999 wollte die WSB schon neue Räume, bis sie einige Jahre später den Bau verließ und die Büros dann nicht mehr benutzt wurden. 2001 zog die Stadtbibliothek in das nahe Quidde-Zentrum um, auch dies war ein klares Zeichen, dass das Plett-Zentrum seine besten Zeiten leider schon hinter sich hatte. Spätestens 2005 standen die Verwaltungsräume und die meisten Geschäfte leer. Der großflächige Bau wurde unter zwei Besitzern geteilt, der Geschäftsteil kam in eine Hand, der doppelt so große Teil mit Büroräumen und Platz in die Hand von Aldi, um dort die Büros und den Platz mit einem Markt zu ersetzen. 2006 schenkte die WSB die Space Churn auch der Stadt München.

Im März 2008 wurde der größere Teil des Baus abgerissen, zu diesem Zweck wurde die Space Churn umgesiedelt und der übrige Teil des Baus an der Trennstelle funktionell wieder instand gesetzt. Nach dem Abriss wurde dann nicht der Aldi-Markt, sondern das Life-Einkaufszentrum erbaut, das an den noch stehenden Teil anschloss. Die offene, ehemalige Ladenpassage wurde abgezäunt und ihre Ladenvitrinen mit Holzplatten verschalt, um weiterhin als Durchgang zur Fußgängerbrücke zu dienen, während der Restbau leer und mehr oder weniger in der Hand der Vandalen war, aber aus einigen Blickpunkten sah er noch recht gut aus. Im März 2012 begann auch hier der Abbruch, um ein mehrstöckiges Gebäude an seiner Stelle zu erbauen. Damit enden die 41 Jahre Existenz des Plett-Zentrum.

Beschreibung

Das Plett-Zentrum war ein großzügiger, flacher Bau, der mit großen Spannweiten zwischen den wenigen, relativ dünnen Säulen und einer Totalverglasung der Büro- und Ladenräume imponieren sollte. Die Räume sollten ein Maximum an Licht und Flexibilität bieten, auch innen waren nur wenige Säulen und Mauern zu finden. Alle Fenster der Büros schauten auf das Grün der balkonartigen Brüstungen oder auf zwei grüne Innenhöfe, deren größerer quadratisch war und sich in drei stockwerkshohen, begrünten Stufen nach unten verkleinerte. Alle Brüstungen, auf die Fenster oder Fußgängerbereiche schauten, waren mit Sträuchern und Blumen bepflanzt. Alles am Bau war streng geometrisch und entsprechend fixer Regeln gestaltet.

Das Plett-Zentrum war vollunterkellert, dieser Keller schaute über einen Meter aus dem Boden. Er diente als Büro- oder Archivraum, Tiefgarage und Nebenräumlichkeiten der Geschäfte. Das Hochparterre bedeckte den größten Teil der Oberfläche, abgesehen vom zentralen Platz, der Ladenpassage, den zwei Passagen von dieser zum Platz und beiden Innenhöfen der Verwaltung. Neben dem Platz befand sich der dreistöckige, quadratische Hauptbau der Verwaltung, dessen oberstes Geschoss nach außen keine Fenster hatte und deshalb nur wie eine sehr hohe Abschlussbrüstung aussah. Das Plett-Zentrum wies an der Nordseite drei breite Treppen zum Hochparterre auf, eine als Nebeneingang zur Verwaltung, zwei zu den offenen Flächen und zwei Tiefgarageneinfahrten. An der Südseite hatte nur der Keller unter dem dreistöckigen Bauteil große Fenster entsprechend den Stockwerken darüber. An der Westseite befand sich eine Laderampe für die Lagerräume der Geschäfte, auch hier war der Bau streng und komplett gestaltet. Außer an der Laderampe und an den Südfenstern war der Keller völlig fensterlos.

Es gab an dem Bau keine kleinteiligen Ausnahmen, alles folgte einem geometrisch-minimalistischem Stil, der aber sehr großzügig umgesetzt wurde. Die Decken waren alle in Innen- und Außenbereichen mit Rigipsplatten durchgehend flach und weiß verkleidet, mit eingebauten Neonleuchten. Horizontale, durchgehende Elemente waren dominant. Alle Brüstungen setzten sich aus vorgeblendeten, massiven Betonplatten zusammen, die gesägt, geschliffen und poliert waren, also fast wie natürliches Konglomerat aussahen. Alle Fenster- und Türrahmen und die sieben kubusförmigen Dachaufbauten waren aus brauneloxiertem Aluminium, die Säulen aus nicht bemaltem Beton und alle Kellermauern, außer den wenigen unter den Kellerfenstern, weinrot bemalt. Die Freiflächen bestanden aus großen, quadratischen, perfekt horizontalen Waschbetonplatten mit relativ breiten Fugen dazwischen, in die das Regenwasser abfloss und dann unter den Platten abgeleitet wurde. Auch die Treppen waren aus Waschbeton. In den meisten Räumen befand sich ein neutral gefärbter Teppich, in der Eingangshalle der Büros waren die Haupttreppe zu den Obergeschossen und die Empfangstheke imponierend und phantasievoll gestaltet. Die dominante Farbe außen war Betongrau, mit viel Verglasung.

Das Plett-Zentrum repräsentierte einen Bau mit gemischter Funktion, es war gleichzeitig Verwaltungsbau, Ladenzentrum und öffentlicher Bau mit der Stadtbibliothek, dem großen Platz und der Passagenfunktion zur Brücke. Die Verwaltung besetzte den größten Teil. Die Position der Space Churn auf dem Platz war nicht zufällig, denn der Platz war als erster Neuperlacher Mittelpunkt vorgesehen, die große Treppe, die Space Churn und seine ganze würdevolle Gestaltung bestätigen dies (siehe auch Illustration in „Entlastungsstadt Perlach“), er sollte in moderner Form eine säulengerahmte, griechische Agora interpretieren. Die breiten, nicht steilen Treppen waren alle einladend, wenn auch nicht barrierefrei.

Als Verwaltungsbau der (damals Neuperlach erbauenden) Neuen Heimat Bayern war er das eigentliche Zentrum Neuperlachs, mehr als der heute noch völlig undefinierte Hanns-Seidel-Platz. Der Bau sollte das Paradepferd von Neuperlach Nord sein und war es auch. Das Plett-Zentrum war aber auch ein klares Machtsymbol der Neuen Heimat, mit seiner sehr großen Ausdehnung und seinen besonderen bautechnischen Lösungen. Kohärent mit ihrer Wirkungs- und Bauphilosophie hat sie aber auf teure und exklusive Baumaterialien, etwa Marmor, oder auf aufwändige Verkleidungen verzichtet.

Maße und Bautechnik

Ich werde jetzt technische Charakteristika und Maße angeben, die alle aus meiner Beobachtung stammen. Ich bin mir der Maße ziemlich sicher, aber mit maximal 10 % Toleranz kann ich deren ganz sicher sein.

Das Plett-Zentrum war ein ungeteilter Stahlbeton-Skelettbau mit vorgefertigten Deckenplatten, Bodenbelagsplatten und vertikalen Fassadenbrüstungen und -platten. Vor Ort wurden also der Keller, die Säulen, die Deckenträger und die Brüstungshalterungen gegossen; wie schon angedeutet, war die Struktur völlig ohne Dehnfugen. Das Muster der Säulenverteilung war ungewöhnlich, um von außen weniger Säulen erscheinen zu lassen, als effektiv vorhanden waren. Auf den Säulen befanden sich massive, vor Ort gegossene Betonträger, die dann die Deckenplatten trugen. Die begehbaren Außenbereiche hatten unter dem sichtbaren Bodenbelag eine geneigte, vor Wasser schützende Dachoberfläche, auf der die Platten waagrecht aufgestützt waren.

Alles am Bau basierte auf einer besonderen Baukonzeption: wenige, dünne Säulen, von denen man von außen den Eindruck haben sollte, es seien nur halb so viele, auf denen komplexe, verschieden strukturierte Dachkonstruktionen ruhten. Die großen Spannweiten und die vielen Anforderungen führten also zu sehr hohen Dachkonstruktionen. Das was von außen wie Balkonbrüstungen aussah, war ja in Wirklichkeit fast nur der vertikale Abschluss dieser Deckenkonstruktion. Die Betonbalken, die doppelte Struktur der Freiflächen und die Blumentröge verursachten das Surplus an Höhe, während die schlichte, weiß bemalte Verkleidung der Decken den Eindruck erweckte, man sehe von unten die eigentliche Decke.

Der ganze Bau maß beachtliche 172 mal 56 Meter und war größtenteils 6,50 Meter hoch, der Verwaltungsbau hatte auf 14,30 Meter seine Dachhöhe. Es war ein sehr ausgedehnter und flacher Bau. An den Fassaden sah man alle 10,50 Meter eine 30 Zentimeter dicke Säule, die Brüstungen waren 1,75 Meter hoch, die Fensterbänder 2,60 Meter. Im Inneren waren die Säulen auf einem doppelten, diagonal versetzten Quadratraster angeordnet, um den 10,50 Meter-Abstand zu halbieren. Die Kellerbasis ohne Treppen, Einfahrten, Rampen und der 1,75 Meter-Auskragung der Brüstungen bedeckte stolze 8.886 Quadratmeter. Die Deckenkonstruktion hatte als Hauptelement 60 Zentimeter hohe und 30 Zentimeter breite Tragebalken, auf der die Fertigteil-Deckenplatten lagen. Die Deckenverkleidung war 20 Zentimeter unter den Balken abgehängt. Darüber befanden sich die oben genannten Bodenbeläge der Außenbereiche, die Erde der Blumentröge oder die entsprechende Füllschicht der Innenbereiche. Vom Fußboden bis zur Deckenunterseite waren es reichlich mehr als ein Meter Höhe, oben schauten die Brüstungen nur 40 Zentimeter heraus, dieselbe Höhe der an den Innenseiten der Blumentröge angeordneten Betonsitzbänke um die Außenbereiche.

Architektur

Das gewollte Aussehen des Baus war das einer filigranen, vertikalen Struktur, mit viel Glas und minimalistischen, modernen Fensterrahmen, auf der große und mächtige, horizontal betonte Decken lagen, alles schlicht und geometrisch gestaltet. Glas, lange, durchgehende Brüstungen und der massive obere Abschluss charakterisieren den Bau. Die Fensterrahmen aus brauneloxiertem Aluminium mit quadratischen Profilen und sehr großzügiger Isolierverglasung waren sehr modern, wie auch die niedrigen Heizkörper dahinter und die Vollklimatisierung.

Die Architektur ist typisch für die 1950er- oder 1960er-Jahre und entspricht internationalen und amerikanischen Vorbildern. Man erkennt den Pavillon der Expo in Barcelona (Bild 5), die Neue Nationalgalerie in Berlin (Bild 6), die Lake Shore Drive Apartments in Chicago (Bild 7) als Vorbilder, alles Meisterwerke des Architekten Ludwig Mies van der Rohe. Auch die Villa Fallingwater des Architekten Frank Lloyd Wright (Bild 8) und das Lever House (Bild 9) in New York könnten als Vorbild gedient haben. Es sind alles Meilensteine des Modernismus.

Pavillon der Expo in Barcelona

Pavillon der Expo in Barcelona
Bild 5: Pavillon der Expo in Barcelona (van der Rohe, 1929). Foto: Hans Peter Schaefer / Lizenz siehe: Wikipedia

Als Vorbild für das Plett-Zentrum diente hier das Verhältnis zwischen Wänden und der Decke, die wie Platten aneinanderstoßen, auch die Sitzbank (Mitte) und die Fensterkonstruktion.

Neue Nationalgalerie in Berlin

Neue Nationalgalerie in Berlin
Bild 6: Neue Nationalgalerie in Berlin (van der Rohe, 1962). Foto: Manfred Brückels / Lizenz siehe: Wikipedia

Das große, markant horizontale, massive Dach auf dünnen Säulen diente als Vorbild, auch die dunkle Farbe der Metallkonstruktion und auf dem Bild nicht sichtbare große Untergeschossfenster.

Lake Shore Drive Apartments in Chicago

Lake Shore Drive Apartments in Chicago
Bild 7: Lake Shore Drive Apartments in Chicago (van der Rohe, 1962). Foto: End User / Lizenz siehe: flickr

Die Gestaltung der offenen Erdgeschossbereiche war hier das Vorbild, mit der peniblen und streng geregelten Detailgestaltung. Auch die schmalen Bedachungen sah man um den Platz des Plett-Zentrum.

Villa Fallingwater in Pennsylvania

Villa Fallingwater in Pennsylvania
Bild 8: Villa Fallingwater in Pennsylvania (Wright, 1939). Foto: Jack Boucher, HABS / Lizenz siehe: Wikipedia

Damals modernste Bautechniken erlaubten es, die massive Balkone wie schwebend erscheinen zu lassen, die Säulen waren relativ dünn und in den Schatten zurückversetzt. Einen ähnliche Eindruck ergab das Plett-Zentrum, erzielt mit einer ähnlichen Technik.

Lever House in New York

Lever House in New York
Bild 9: Lever House in New York (Studio S.O.M., 1957). Foto: David Shankbone / Lizenz siehe: Wikipedia

Das fensterlose oberste Geschoss des Hauses war ein technisches Stockwerk und bildete einen optisch gelungenen Abschluss-Akzent, diese Lösung wurde bei Hochhäusern auch von van der Rohe verwendet. Der Flachbau auf Stelzen, den man im Vordergrund sieht, hat einen begrünten Innenhof. Beide Motive sah man am Plett-Zentrum.

Erklärungsversuche zum Abbruch

Das Plett-Zentrum hatte einige Mängel, die den Abbruch auf keinen Fall rechtfertigen, ihn aber vielleicht erklären. Bei 8.886 Quadratmetern Oberfläche (das Grundstück ist natürlich noch größer) bot es nur 7.828 Quadratmeter Büro- und Ladenflächen. Das ist wenig.

Der würdevolle Platz in der Mitte wollte eine Agora, also ein Treffpunkt sein, was er aber nie geworden ist. Ein Marktplatz (was das pep irgendwie ist) hätte besser funktioniert, der Platz ist leider immer leer geblieben.

Der flache, weitverglaste Bau war bestimmt unwirtschaftlich in der Beheizung, er war entsprechend der damaligen Technik wenig isoliert und hatte nach oben und nach unten potenziell große Wärmeverluste.

Dass man zu den Geschäften, der Verwaltung und dem Platz 2,60 Meter Höhe durch Treppen überwinden musste, machte den Bau bestimmt auch nicht beliebt, denn es gab keine barrierefreie Alternativen dazu.

Wahrscheinlich wurde das Plett-Zentrum als striktes ideologisches Eigentum und Symbol der Neuen Heimat angesehen, es war also den Nachfolgebesitzern unsympathisch, es wurde wohl als etwas Fremdes empfunden.

Komischerweise war der Bau 1967 als Erster schon fertig geplant, wurde aber erst vier Jahre später eingeweiht, trotz seiner schnell realisierbaren Bauweise. Wahrscheinlich musste man damals auf der Riesenbaustelle Neuperlach den Wohnhäusern Vorrang geben. Der Bau war also 1971 schon veraltet, die Planung geschah ja vor 1968 und der Energiekrise 1973, danach war eben viel schon wieder anders.

Es hat wohl auch Wassereinfallprobleme am Dach gegeben, die besondere, asymmetrisch ausgelastete Struktur des Baus ohne Dehnfugen mit Fertigteildachelementen hat vermutlich zu Spannungen im Dach geführt, die als Folge die dichtende Teerpappe darauf immer wieder aufgerissen haben könnten.

Schließlich litt der Bau wie alle Subzentren in Neuperlach schon seit den 1980er-Jahren unter der Konkurrenz des pep.

Eine Illusion …

Trotz allem hätte man den Bau retten müssen und können, ihn renovieren, reparieren und rentabel machen können. Mehrere, mit Spiegelglas verkleidete Stockwerke in Leichtbauweise auf den Geschäfts- und Büroteilen, ein Verglasen oder Zubauen des quadratischen Innenhofes und eine Umfunktionierung und Bedeckung der Agora hätten den Bau rentabel gemacht und ihn erhalten und modern gemacht. Aufzüge oder neu gestaltete, flachere Rampen (die alten Treppen hatten nur eine integrierte, mit einer hohen Stufe beginnende Kinderwagenrampe) hätten den Zugang erleichtert. So wäre der ursprüngliche Mittelpunkt Neuperlachs noch erhalten und die Identität dieses Stadtteils bewahrt, auch die Bibliothek könnte heute noch viele positive Jugenderinnerungen wachhalten. Das Plett-Zentrum war insgesamt ein einladender Bau mit Öffentlichkeits- und nicht Privatcharakter, der leider an einer Privatmentalität zu Grunde gegangen ist, obwohl er noch stehen sollte.

Bruno Tamborino
bruno.tam15@gmail.com

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Michaelikapelle

Michaelikapelle
Die Michaelikapelle von der Heinrich-Wieland-Straße aus gesehen (07.03.2012) © Thomas Irlbeck

An der Kreuzung Heinrich-Wieland-Straße/Albert-Schweitzer-Straße/Corinthstraße steht am nordöstlichen Eck die denkmalgeschützte Michaelikapelle. Wer sich hier nicht sofort was darunter vorstellen kann, es ist die riesige Kreuzung zwischen dem Schulzentrum an der Quiddestraße und dem Lidl-Markt an der Corinthstraße. Der Ostpark beginnt dort ebenso. Die Kapelle selbst befindet sich neben eben diesem Lidl-Markt.

Bis jetzt ist Neuperlach.org auf der Suche nach einem mystischen Ort, der sich auch wirklich in Neuperlach liegt und nicht nur in der Nähe des Stadtteils. Die Michaelikapelle ist ganz nahe dran. Denn der Ort, an dem sie steht, gehörte früher zur Gemarkung Perlach, und so ist sie auch im Grundbuchamt eingetragen. Die Kapelle entstand im Rahmen der Siedlung Michaeliburg, die zum Teil auf Truderinger als auch auf Perlacher Gebiet liegt. Nach dem Bau von Neuperlach und der Heinrich-Wieland-Straße sind die Stadtbezirksgrenzen entlang der Straße neu gezogen worden, sodass die Kapelle heute zum Stadtteil Trudering (Stadtbezirk Trudering-Riem) gehört.

Aber nur haarscharf: Die stadtauswärts führenden Fahrspuren der Heinrich-Wieland-Straße zählen an dieser Position schon zu Neuperlach, aber die Fahrspuren auf der anderen Seite und damit auch die am rechten Straßenrand (Blick stadteinwärts) befindliche Kapelle werden noch dem Stadtteil Stadtbezirk Trudering-Riem zugerechnet. Schade, aber die wenigen fehlenden Meter (es sind nur rund 50 Meter bis zur Grenze) lassen das Bauwerk gefühlt zu Neuperlach gehören.

Die Kapelle wurde am 7. Oktober 1900 eröffnet und ist St. Michael geweiht. Einmal im Jahr, zum Volkstrauertag, findet in der Kapelle ein Treffen der Vereine der Umgebung statt, die der Opfer der beiden Weltkriege sowie aller danach geführten Kriege gedenken. Sie erfüllt daher die Funktion einer Kriegergedächtniskapelle.

Geschichte

Die Kapelle hat eine bewegte Geschichte hinter sich. In Auftrag gegeben wurde sie den Quellen nach von Michael Obermayer (auch Versionen mit Michasel Obermeyer und Michael Neumeyer sind in Umlauf) aus Straßtrudering (der als erster Siedler auch Namensgeber für die Siedlung Michaeliburg sein soll), der sich der Gemeinde Perlach gegenüber verpflichtet hatte, als Gegenleistung für die Genehmigung seines Wirtshausbetriebs, eine Kapelle zu errichten. Das Gebäude mit dem früheren Wirtshaus wurde im Volksmund wegen des burgähnlichen Aussehens Michaeliburg genannt, erst 2009 wurde es abgerissen. Da die Kapelle St. Michael geweiht ist, gerät die Theorie über die Namensherkunft allerdings ins Wanken.

Michaelikapelle
Die Michaelikapelle: Halb unter Bäumen versteckt, vorne umspült von weltlichem Verkehr (07.03.2012) © Thomas Irlbeck

Das Grundstück erwarb Obermayer 1898, die Quelle „Trudering – Waldtrudering – Riem: Münchens ferner Osten“ nennt hier als Kaufpreis 60 Mark. 1906 bekam die Kapelle neue Eigentümer, die die Verpflichtung, die Kapelle ausschließlich für römisch-katholische Gottesdienste zu benutzen, ignorierten. Die Kapelle soll als Lagerraum und für landwirtschaftliche Zwecke verwendet worden sein. 1922 erhielt die Kapelle nochmals einen neuen Eigentümer, der wieder Gottesdienste initiierte.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Kirche in einem erbärmlichen Zustand. Dach, Fenster und Türen fehlten, selbst der Altar war entwendet worden. Die Kirchenbänke wurden offenbar in einem der strengen Nachkriegswinter verheizt. Nachdem es zunächst ernsthafte Überlegungen gab, die Kapelle abzureißen, wurde sie schließlich unter dem Einsatz einiger engagierter Bürger aus der Siedlung Michaeliburg aufwändig wiederhergestellt.

Denkmalschutz

Der Bayerische Denkmal-Atlas sagt zu dem Gebäude:

Kriegergedächtniskapelle Michaeliburg, Putzbau mit Satteldach und
Dachreiter, neugotisch, 1898; mit Ausstattung, nachqualifiziert.

Historische Fotos mal ganz anders

Hier noch ein seltenes Bild der Michaelikapelle aus früheren Zeiten (linkes Bild). Es stammt aus dem Video „Altes aus Neuperlach“ von Peter Wahrendorff. Michaelikapelle ca. 1975.

Michaelikappelle aus Video von Peter Wahrendorff
Michaelikapelle ca. 1975 (Screenshot aus dem Video „Altes aus Neuperlach“)

Auch im nächsten Bild auch ist die Michaelikapelle zu sehen, zwischen der Tram und dem linken Bildrand. Wer gut hinschaut, erkennt in dem rechten Bild auch die Michaeliburg, die Turmspitzen sind zwischen der Tram und dem Kran zu sehen.-Vielen Dank an einen Leser für den Tipp. Das Bild gibt es in der Rubrik Tram auch ohne Pfeile:

Tram 11 Karl-Marx-Ring
M/m-Zug der Linie 11 an der Haltestelle Karl-Marx-Ring. Blick ist stadteinwärts. Foto ist vom 12.09.1970 (dem Eröffnungstag!). Fotograf: Peter Wagner. Mit freundlicher Genehmigung der Freunde des Münchner Trambahnmuseums e.V.
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Architektur und Geschichte in Neuperlach

Bild 1
An der Plettstraße (ca. 1989). Foto: Bruno Tamborino

Bruno Tamborino hat dankenswerterweise einen hervorragenden Gastbeitrag zur Geschichte und Architektur Neuperlachs geschrieben, speziell zu Neuperlach Nord. Er nimmt uns mit in die Planungen, beschreibt die Philosophie des Stadtteils und die besonderen Umstände wie Zeit- und Kostendruck. Neben allgemeinen Vorgaben und Entscheidungen, was etwa Bauhöhe, Baumaterialien und Baustil betrifft, gibt es die besonderen Entscheidungen und Einrichtungen, die zeigen, dass Neuperlach keine anonyme Betonwüste ist, sondern lebenswert und praktisch. Der Autor lässt uns an der Entstehung der ersten Bauabschnitte teilhaben, stellt die verschiedenen Haustypen vor und lässt uns verstehen, warum Neuperlach so aussieht, wie es anfangs aussah und wie es heute aussieht. Etwa warum man die Gebäude ursprünglich nicht bonbonbunt angestrichen hat und mit welchen Tricks man Restriktionen umging und es dabei dennoch schaffte, diese Maßnahmen so zu gestalten, dass für die Bewohner sogar oft ein Mehrwert herauskam. Tamborino beleuchtet auch kritisch neue Entwicklungen, speziell im Hinblick auf Sanierungen der in die Jahre gekommenen Bauten. Entstanden ist ein Artikel, der mehr in die Tiefe geht und keine reine Bildkollektion mit ein paar Anmerkungen aus Bewohner- oder Laiensicht ist, sondern auf vielfältige Aspekte, speziell der Wohnhäuser, eingeht.

Thomas Irlbeck

Über den Autor Bruno Tamborino (* 1969) lebte von 1974 bis 1987 in Neuperlach und hat mit starkem Interesse sämtliche Bau- und Umgestaltungsmaßnahmen in Neuperlach Mitte und Nord erlebt, heute lebt er in Italien. Er hat ein kleines Privatarchiv, bestehend aus Fotos, Postkarten, Zeichnungen und Bauplänen, mit persönlichen Aufzeichnungen und war immer daran interessiert, was aus Perlach Nord am besten werden könnte. Er ist ab der 5. Klasse im Werner-von-Siemens-Gymnasium zur Schule gegangen und war deshalb täglich in Perlach Nord unterwegs. 1983 schlug er der Neuen Heimat einen Neuanstrich für ein Haus vor, dieser Vorschlag wurde dann in der lokalen Wochenzeitung HALLO veröffentlicht, aber nicht ausgeführt. Er hat auch ein Modell von einem Haus in Neuperlach gebaut und in Neuperlach 1985 ausgestellt und Daten für weitere Modellgebäude gesammelt.

Die folgenden Ausführungen sind auf Neuperlach Nord und Nordost und auf die Planungs- und Baujahre von zirka 1967 bis 1973 beschränkt. Neuperlach Nordost ist nur in seinen Teilen nördlich und westlich des Marx-Zentrum betroffen. Genauer genommen werde ich bestimmte Wohnhausgruppen behandeln, die ja wohl den Charakter Neuperlachs sehr stark prägen und die eine erkennbare architektonische Gruppe innerhalb Perlachs bilden. Es sind Häuser, die an den folgenden Straßen stehen: Adolf-Baeyer-Damm, Strehleranger, Nawiaskystraße, Quiddestraße, Plettstraße, Staudingerstraße, Albert-Schweitzer-Straße, Heinrich-Wieland-Straße, Siegfried-Mollier-Straße, Karl-Marx-Ring (bis zur ersten Kurve im Norden), Kurt-Eisner-Straße (der nördliche Teil).

Diese Ausführungen haben aber zum Teil auch in neueren Teilen Neuperlachs (Ost, West und zum Teil auch Therese-Giehse-Allee) ihre Gültigkeit. Ich werde von hier ab einfach über „Perlach“ schreiben, wo ich die oben genannten Gebäude, Straßen und Ortsteile identifizieren will, damit es besser lesbar ist.

Zeitlich werde ich mich auf den Erbauungszustand und die Zeit bis Ende der 1970er-Jahre beschränken, da es bei den vielen, einschneidenden Veränderungen der folgenden Jahre unmöglich wäre, die Logik des Ganzen zu rekonstruieren.

Ganz Neuperlach ist größtenteils ein Produkt des „Maßnahmenträgers Neue Heimat Bayern, gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ (1986 nach Skandalen aufgelöst), die ich einfach NH nennen werde. Die NH hat den Stadtplan vorgegeben, die Position der Häuserblöcke und viele Wohnhäuser geplant, und auch andere Strukturen, z.B. die Einkaufs-Subzentren, entstammen ihrer Planung. Bei markanteren Komplexen, zum Beispiel beim Marx-Zentrum, kamen auch andere Architekten zu Wort, deren Projekte dann aber nicht immer wie vorgesehen ausgeführt wurden, weshalb sie sich manchmal von ihren Werken distanzierten (siehe Architekt Bernt Lauter und den Wohnring).

Charta von Athen

Perlach wurde entsprechend den Prinzipien der „Charta von Athen“ aus den 1930er-Jahren geplant, die eine Reaktion auf die kapitalistischen „Mietskasernen“ des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts war. Diese Mietskasernen wurden in großer Zahl in allen Städten von privaten Unternehmern gebaut, sie hatten eine reiche Stuckfassade zur Straße, aber hinter der schönen Fassade wurde das Grundstück und das Haus dann mit Wohnungen, Räumen, Betrieben und entsprechend mit Leuten bis zum Geht-nicht-mehr gefüllt. Es fehlte deshalb ganz entschieden an Licht, Luft, Sonne und Hygiene.

Um diese Situation zu beheben, entwickelten einige berühmte Architekten ab den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts bis in die 1930er-Jahre eine völlig neue Konzeption des Wohnungsbaus, bei dem schlichte, vielstöckige, funktionelle Gebäude auf die „grüne Wiese“ gebaut wurden, mit gesunden Wohnungen, die licht-, luft- und sonnendurchflutet sein sollten, mit modernen, hygienischen Einrichtungen für jede einzelne Wohnung und Stahlbeton als Baumaterial, der einige Jahrzehnte früher noch unbekannt war und ganz neue Baumöglichkeiten gab. Die Häuser sollten die Wohnzimmer nach Süden und Westen (für die Abendsonne) ausgerichtet haben, die Schlafzimmer nach Osten (Morgensonne) oder eventuell Norden (auch Badfenster, Treppenhäuser u.ä.). Also nicht mehr „die schönste Fassade zur Straße hin“, sondern alles nach den Himmelsrichtungen gebaut.

Diese Baukonzeption hatte in den 1960er-Jahren schon einige Mängel und Erneuerungstendenzen gezeigt, war aber zur Zeit der Planung Perlachs noch aktuell (bis sie Mitte der 1970er-Jahre überholt war zugunsten kleinerer, urbanerer, weniger anonymer Baugestaltungen). Diese Bauauffassungen wurden also bei der Planung Perlachs angewendet, verbunden mit den Bauauflagen der Stadt München, die damals als Mindestabstand zwischen zwei Häusern die Summe deren Fassadenhöhe vorschrieb (bei 25 Metern Höhe x 2 = 50 Meter Abstand). Den Stadtplanern Perlachs war von Anfang an klar, dass diese Bauauflage das Stadtbild zwangsläufig monoton machen würde, sie konnten aber nichts daran ändern.

Besonderheit: Balkonbrücken

Balkonbrücken
Balkonbrücken. Links: Plettstraße, rechts: Albert-Schweitzer-Straße, Nähe Lätarekirche. Zeichnung in der Mitte: Durch die fehlenden Balkonbrücken im Erdgeschoss werden Durchgänge geschaffen. Fotos und Zeichnung: Bruno Tamborino

Anscheinend haben sie als Einziges den Trick erarbeitet, Häuserblöcke öfters durch „Balkonbrücken“ zu verbinden. In diesem Fall stehen die Häuser normalerweise sechs Meter distanziert und sind durch eine Mauer ohne dahinterliegende Wohnräume verbunden. Vor dieser Beton-Verbindungsmauer laufen die Balkone.

Entsprechend befindet sich nur an der Stirnseite des Balkons eine Balkontür zur Wohnung. Der Zweck dieser seltsamen Balkone war offensichtlich, zwei Häuserblöcke offiziell zu einem zu machen, man brauchte so keine Abstände mehr einzuhalten. Auch ergeben sich zusätzliche oder größere Balkone, eventuell erzielte man noch einen Sicht- und Windschutz. Die Balkone können natürlich von den jeweiligen Wohnungseigentümern und -mietern genutzt werden, eine gehbare verbindende Funktion von Haus zu Haus haben sie aber nicht, da sie keinen Laubengang oder dergleichen darstellen.

Auch ergeben sich (bis auf eine Ausnahme) auf diese Weise Stellen, wo man die Häuserzeilen im Erdgeschoss zu Fuß durchqueren kann, da die Verbindungsmauer im Erdgeschoss fehlt und sich so ein Durchgang ergibt.

Im Vergleich zu den frei stehenden Häusern älterer Wohnsiedlungen aus den 1950er- und 1960er-Jahren wurden hier die Gebäude zu längeren Zeilen zusammengestellt, um damit den Eindruck von städtischen Straßenzügen entlang der Fußgängerwege zu erzielen, dies hat aber aus verschiedenen Gründen (Dimensionen, Erdgeschossnutzung, Vegetation, Abstandsbestimmungen) nie die gewünschte urbane Atmosphäre erzielt.

Anflugschneise Riem drückte die zulässige Bauhöhe

Die hier behandelten Teile Perlachs befinden sich auch unter der Anflugschneise (Anfluglinie der Jets) des ehemaligen Flughafens „München Riem“, deshalb durften die Gebäude die Höhe von 25 Metern nicht überschreiten, und bei dem höchstgelegenen Wohnraum, dessen Fußboden mehr als 22 Meter über dem Grund liegt, hätte man zusätzliche Bauauflagen, etwa abgeschirmte Fluchttreppenhäuser beachten müssen, die zu Mehrkosten geführt hätten. Deshalb haben alle betroffenen Gebäude maximal acht Obergeschosse, ein bewohntes Erdgeschoss sowie ein Kellergeschoss (mit Ausnahme von vier zehnstöckigen Punkthäusern am Ostpark; das hier nicht näher behandelte Marx-Zentrum und Teile südlich und östlich davon liegen bereits außerhalb der Einflugschneise, dort wurden 35 Meter Bauhöhe und punktuell auch mehr erlaubt, sodass bis zu 17 Stockwerke gebaut wurden).

Fußwegsystem

Die Planer Perlachs wollten ein Fußwegsystem verwirklichen, das völlig von den Straßen getrennt sein sollte, und dies wurde mit Wegen, Brücken und Unterführungen auch konsequent gebaut. Sie waren sehr stolz auf diese neue Konzeption, und bestimmt sind die Häuser Perlachs vorrangig für ein Erleben von diesen Fußgängerwegen geplant und wesentlich weniger von den Straßen, weshalb man Perlach zu Fuß besser zu schätzen lernt.

Olympia tat München gut, nicht Neuperlach

Die Stadt München baute gleichzeitig mit Perlach ab Mitte der 1960er-Jahre auch die ersten U-Bahn- und S-Bahn-Linien für und mit dem Olympiapark, all dies musste 1972 fertig sein (mit den Problemen, die während des Baues unweigerlich entstanden) und hatte seine negativen Konsequenzen auf Perlach. Am bekanntesten wurden die Probleme mit dem transparenten Olympiapark-Zeltdach, das die vorher geschätzten Kosten um das 20-fache (!) überschritt. Anscheinend war es Geld, das in Neuperlach hätte investiert werden sollen und dann hier weggespart wurde. Man könnte wohl sagen, dass sich die Stadt damals mit diesen beiden Großprojekten übernommen hatte.

Aber was ist ein Haus in Perlach?

Ein Haus kann man als den Bau bezeichnen, bei dem zwei oder drei (bei „Häuserzeilen“) oder vier bis sechs Wohnungen (bei „Punkthäusern“) um ein Treppenhaus gruppiert sind, und dieser so entstandenen Grundriss ist dann drei bis neunmal in die Höhe wiederholt. Ausnahmsweise ist das Erdgeschoss oder das oberste Geschoss etwas anders gestaltet, z.B. hat es einen Durchgang (wie bei den Wohnblöcken des Quidde-Zentrum), eine Durchfahrt (an der Nawiaskystraße), technische Räume oder oben großzügigere Terrassenwohnungen.

Aus den oben zuerst erwähnten Häusern kann man Häuserzeilen gruppieren, sie haben nur an der Vorder- und Rückseite Fenster, deshalb stehen die jeweiligen Häuser meist geradlinig Wand an Wand und sind nur durch eine dünne bautechnische Dehnfuge (eine vertikale sichtbare Linie an der Wand) getrennt. Sie haben immer eine Eingangs-/Treppenhausseite, diese normalerweise ohne Balkone (nach Osten oder Norden gerichtet) und gegenüber eine Balkon-/Wohnzimmerseite ohne Eingang (nach Süden oder Westen gerichtet). Die kürzesten Häuserzeilen sind zwei Häuser lang, die längste ist zwölf lang (die Wohnhäuser des Quidde-Zentrum). Einige Häuserzeilen sind durch die erwähnten „Balkonbrücken“ an andere Häuserzeilen gekoppelt, nur bei diesen Balkonbrücken oder aber bei Winkelungen einer Häuserzeile kann sich der Grundrisstyp in einer Zeile ändern. Manche Häuserzeilen haben Endhäuser, die eine Variante des Standardhaustyps sind. Dabei können Fenster oder Balkone anstatt an der üblichen Seite des Hauses an der Stirnwand liegen, damit das Ganze besser aussehen soll (was in der Tat auch der Fall ist) oder um aus den Wohnungen eine bessere Aussicht zu haben. Der Wohnungsgrundriss ist in diesen Fällen aber selten anders als im Standardhaus und im Fall der Fälle nur marginal, es können dann auch Badfenster vorhanden sein. Häuser dieses Typs (Zeilenhäuser) gibt es in Perlach als Ziegelmauerwerk-Gebäude (alle von der NH geplante Häuser sind so gebaut) und als Gebäude, die aus in Werken vorgefertigten Betonplatten vor Ort montiert wurden (Plattenbauweise). Plattenbau war damals hochmodern und rationell, die Ziegelbautechnik der NH war da eher traditionell.

Punkthäuser dagegen sind Häuser, die mindestens vier Wohnungen um ein Treppenhaus haben und die nicht Wand an Wand gebaut werden können, da sie auf allen Seiten Fenster haben und somit keine Außenwand fensterlos sein kann. Man kann sie höchstens durch relativ schmale Streifen der Außenmauer an andere Häuser ankoppeln, aber fast alle in Perlach stehen frei. Viele Punkthäuser sind Gebäude, die in Plattenbauweise gebaut wurden, abgesehen von diesen gibt es in Perlach nur zwei andere Haustypen aus Ziegelmauerwerk. Beide Typen kann man östlich der Heinrich-Wieland-Straße sehen (nördlich des Karl-Marx-Rings eines, südlich davon den anderen Typ), zwei weitere Häuser stehen an der Kurt-Eisner-Straße. Auch die Punkthäuser haben eine Eingangs-/Treppenhausseite und eine gegenüberliegende Seite, die die meisten und größten Balkone und Wohnzimmerfenster hat. Das Treppenhaus schaut immer nach Norden, während die Wohnungen und dementsprechend die Wohnzimmerfenster und Balkone auf alle anderen Himmelsrichtungen, prinzipiell Süd, gefächert sind.

Alle Häuser sind in der ganzen Fläche unterkellert (Betonbauweise). Die Keller wurden nach kollektiven (Waschkeller, Fahrradraum) und individuellen (Abstellräume) Bestimmungen aufgeteilt. Die Hauseingänge wurden entsprechend den damaligen Angewohnheiten sehr schlicht und öde gestaltet, es wurde nie Wohnraum für die Eingänge geopfert und auch die Materialien waren sehr schlicht. Das war damals auch außerhalb Perlachs gängige Praxis, auch wenn es heute sehr stört und verbessert werden sollte. Alle Häuser haben Hochparterre, damit die Kellerfenster direkt Licht bekamen und man so die Wohnungen im Erdgeschoss vor indiskreten Blicken schützte.

Die Wärmedämmung (heutzutage als die Außenarchitektur sehr beeinflussende „Sanierung“ nachträglich ausgeführt) gab es schon von Anfang an, wenn auch weniger ausgetüftelt, die effizient profilierten Fensterrahmen waren aus lackiertem Holz (innen immer weiß, außen weiß, anthrazit oder farbig), sie hatten Doppelgläser, die in zwei aneinandergekoppelte Fensterrahmen eingebaut waren und Alu-Fensterbänke. Die Ziegelmauern wurden als Nordaußenmauern dicker gebaut, 36 cm dick, anstatt den üblichen 30 cm. Tragende Innen- und Außenmauern, bei denen keine Isolierung notwendig war, sind 24 cm dick, abgesehen von den 10 cm dicken Innentrennwänden. Die Häuser in Plattenbauweise waren wohl weniger gedämmt, aber ich bin fast sicher, dass da eine Styropordämmschicht in den Betonfertigplatten eingelassen war.

Aber welche waren die Entstehungsphasen in Perlach?

Anfang der 1960er-Jahre beschloss die Stadt München, die Wohnungsnot, die der Bevölkerungswachstum während des Wirtschaftswunders erzeugt hatte – abgesehen von den im Krieg zerstörten oder einfach überalterten Wohnungen – mit dem Bau von mehreren öffentlich geförderten „Entlastungsstädten“ zu lösen, deren größte eben Neuperlach wurde, das innerhalb der Jahre von zirka 1968 bis 1990 auf eine riesige freie Ackerfläche gebaut wurde. Es wurde zum größten Bauprojekt Deutschlands, vielleicht Europas, und sollte schon deshalb eine andere historische Bewertung bekommen, als es derzeit hat.

Wie alle so schnell gewachsenen Städte konnte Neuperlach natürlich nicht problemlos sein, weder beim Bauen noch beim Planen, noch beim Wohnen und auch nicht beim Zusammenleben.

Die erste, lange Phase war der Grundstücksumschlag, bei dem die Acker gekauft und die Flächen völlig anders zusammengelegt wurden und dann verschiedenen neuen Nutzungsbestimmungen zugewiesen wurden, etwa Wohnen, Arbeit, Freizeit, Gewerbe, Verkehr u.a. Danach wurden die Infrastrukturen „auf die grüne Wiese“ gebaut, das heißt Straßen, Wasser und Abwassersystem (dieses hat die Entstehungsphasen des neuen Stadtteils bestimmt), Strom, Fernwärme usw., dann kamen die Tram (1970) und später die U-Bahn (1980) dazu.

Die ersten Wohnhäuser entstanden 1967, das allererste bewohnte Wohnhaus war meines Wissens ein Punkthaus an der Kreuzung Quiddestraße/Plettstraße Nähe Lätarekirche.

Aber wenn man sich die wenigen historischen Fotos anschaut, kann man unschwer erkennen, dass ganze Nachbarschaften gleichzeitig fertig waren, das heißt, der Baurhythmus war sehr hoch, er lag im Bereich von zirka 1.000 Wohnungen pro Jahr!

Und wie wurden die Wohnhäuser Perlachs geplant?

Der Prozess ist nicht ganz einfach zu rekonstruieren, ich möchte mich auf die Häuser der NH beschränken, alles fand innerhalb einer Gesellschaft statt, die „Neue Heimat Bayern“, Tochtergesellschaft der Neuen Heimat mit Sitz in Hamburg, die auf dem Kapital der führenden deutschen Gewerkschaften basierte und das größte Bauunternehmen Europas war. Wegen der extremen Größe des Unternehmens gab es bestimmt Überschneidungen in den Kompetenzen, die Namen der Planer sind leider unbekannt geblieben, es heißt da einfach „Planungsabteilung Neue Heimat Bayern“.

Einflüsse

Man erkennt auf alle Fälle in der NH-Wohnarchitektur Einflüsse des „Brutalismus“ der 1960er-Jahre (siehe Werke vom Architekt James Stirling) in der Balkongestaltung und anderen Details, eine Geometrie nach den Ideen des Bauhauses in der Gesamtgestaltung und besonders in der Position der Fensteröffnungen innerhalb des Mauerwerks (nicht als Löcher in der Mitte einer Mauer, sondern als Aussparungen in den Ecken der Flächen), aber alles ist eher schüchtern und vorsichtig in die Praxis umgesetzt. Alle Bauten sind theoretisch endlos in Serie baubar, es gibt keine Bauten, die einmalig für eine Position geplant wurden, höchstens Standardplanungen, die einem Ort ein wenig angepasst werden mussten.

Planung

Es wurden also in der Planungsabteilung zuerst einmal Wohnbedürfnisse festgelegt und auf deren Basis ein kompletter und detaillierter Grundriss geplant, aus dem man Häuser in die Höhe und bei den meisten davon dann auch Häuserzeilen in die Länge zusammenstellen konnte. Diese Grundrisse richteten sich nach strengen Regeln, es musste mit dem minimalen Aufwand das Maximum an Wohnkomfort und nutzbarer Fläche geschaffen werden. Praktisch ausnahmslos durfte ein Raum nur ein Fenster oder alternativ eine Fenstertür haben, die Klosetts wurden als getrennter Raum im Eingangsbereich eingebaut, denn es gab getrennte Badezimmer ohne WC, damit verschiedene Familienmitglieder gleichzeitig beide sanitären Einrichtungen benutzen konnten. Beide Sanitärräume waren ohne Fenster, nur die Badezimmer, die sich an den Stirnwänden der Häuserzeilen befinden, bekamen (aber nicht bei allen Grundrissen) ein kleines Fenster.

Die besonderen Aufzüge

Was weiter auffällt, ist die Position der Aufzüge. Diese sind fast immer am Ende der (in zwei Rampen geteilten) Treppen gegenüber den Wohnungstüren eingeplant, damit man mit der Hälfte der Aufzugstüren an den Stockwerken auskam, das heißt, nur alle zwei Stockwerkshöhen gibt es eine Aufzugstür, man muss dann eine Rampe, das heißt ein halbes Stockwerk, hinauf- oder heruntergehen. Das Konzept war aber nicht nur auf Kosteneinsparung ausgelegt, sondern auch in sich stimmig und hoch effizient, ohne dass es für die Bewohner Nachteile brachte. Da die Aufzüge im Erdgeschoss starten und nicht im Hochparterre, bedeutet es für die Leute, dass sie im Erdgeschoss die halbe Treppe sparen. Somit muss man keine einzige Treppenstufe mehr steigen wie in anderen Häusern, wo der Aufzug zwar in jedem Stock hält, man aber erst ins Hochparterre raufsteigen muss. Auch ersparte man sich Fahrstuhlschächte, die deutlich höher als das Haus selbst waren, wodurch man eventuell nur so unter der erlaubten 25-Meter-Grenze blieb. Augenscheinlich konnte man nur auf diese Weise in Neuperlach Nordost innerhalb der Einflugschneise überhaupt 9 Geschosse realisieren! Die hier erwähnte Lösung mit einem Aufzugsmaschinenraum, der ein halbes Stockwerk über die normale Haushöhe herausragt, und mit auf halber Stockwerkshöhe haltenden Aufzügen ist aber nur eines von mehreren Konzepten. In Perlach wurden auch andere Varianten realisiert, mit einem Aufzugsmaschinenraum, der oben mit dem Hausdach bündig abschließt (hier hält der Aufzug das letzte Mal zwischen den Stockwerken 6 und 7, sodass man vom Aufzug aus noch 1,5 Stockwerke raufsteigen muss, um ins oberste Stockwerk zu gelangen; vor allem eine Reihe von Wohnblocks in Neuperlach Nordost weisen dieses Merkmal auf), oder mehr als ein ganzes Stockwerk höher ist als die allgemeine Dachfläche. Es gibt seltener auch Aufzüge, die in jedem Stockwerk (und nicht auf halber Höhe) halten.

Stockwerkshöhe, Wohnfläche

Die Stockwerkshöhe der NH-Häuser ist inklusive Decke 262,5 cm, auch die Grundrisse sind auf den halben cm genau geplant und die Raumhöhe ist deshalb zirka 2,40 Meter. Fenster, Innentüren, Wohnungstüren, Treppen, Kellertüren und -fenster wurden standardisiert (pro Haustyp und zum Teil für alle Haustypen durchgehend) und wurden schlicht und zweckmäßig geplant, mit einfachen, großflächigen, fast belanglosen Fenster- und Türgestaltungen. Im Allgemeinen waren aber die Eigentumswohnungen etwas großzügiger ausgestattet.

Was auch noch auffällt, ist die Wohnfläche, zumindest bei den NH-Wohnungen. Sie ist für 2-Zimmer-Wohnungen ganz knapp unter 60 Quadratmeter, für 3-Zimmer-Wohnungen knapp unter 75 Quadratmeter, für 4-Zimmer-Wohnungen knapp unter 90 Quadratmeter. Das kann ich mir nur damit erklären, dass innerhalb dieser Grenzen die Wohnungen ein Anrecht auf öffentliche Fördermittel hatten. Deshalb sind vor allem Badezimmer, Küchen und alle Schlafzimmer sehr ähnlich in ihrer Fläche, man konnte da wenig variiert planen. Dies ist wohl der Grund, weshalb man auch bestimmte Elemente in der Außenarchitektur (wie bestimmte Fenster-Bauvolumen-Kombinationen) wiederholt sieht. Die Wohnfläche wurde berechnet, indem man die Mauern und sogar 3 % Putz von der Bruttofläche einer Wohnung abzog und die Balkone zu 50 % berechnet wurden. Bei den wenigen freifinanzierten Eigentumswohnungen mussten diese Grenzen nicht eingehalten werden, aber die Grundrisse waren dennoch oft einfach Ableitungen der Grundrisse öffentlich geförderter Wohnungen. Man kann an den Häuserzeilen ganz klar fünf Grundrisstypen der NH herauslesen, die auch außen gut zu identifizieren sind, vier von fünf dieser Typen haben zwei Wohnungen (3- oder 4-Zimmer-Wohnungen) pro Treppenhaus, sie werden auch „Zweispänner“ genannt, der fünfte hat drei Wohnungen (zwei 3-Zimmer-Wohnungen und eine 2-Zimmer-Wohnung) und wird als ein „Dreispänner“ bezeichnen. Dieser Dreispänner wurde bis viele Jahre später in mehreren Varianten gebaut (siehe z.B. Wohnring, Therese-Giehse-Allee, Nähe Graf-Zentrum (Postkarte 1, Bild C), aber auch beim Olympiazentrum München, in Haar und in Martinsried). Die NH-Punkthäuser sind Mauerwerks-Gebäude, die sich auf einen Typus und zwei Häuser beschränken und sie haben vier Wohnungen pro Stockwerk.

Zu jedem dieser Grundrisse wurden Fensterrahmen-Aufteilungen vorgeschlagen und auch Balkongestaltungen. Die Balkongestaltung betraf die Form der Balkone, die Balkonbrüstungen und die Sonderelemente Blumentröge, Sichtschutzwände und Sichtschutzgitter. Die Brüstungen haben bei allen NH-Häusern einen großen Schlitz zwischen Balkonboden und Brüstung, fast ein Markenzeichen der Planer. Es wurden auch die Anwesenheit, Dimension und Position des rechteckigen Beton-Blumentrogs, eventueller höherer Betonwände oder Betongitter als Sicht- und Windschutz entschieden, und auch das typische Balkongeländer aus eloxiertem Aluminium, in Rechtecke mit zwei waagrechten Streifen aufgeteilt, war immer vorgesehen. Die mehrfach waagrechte Aufteilung der Brüstungen sorgte dafür, dass die Balkone offener und niedriger und deshalb die Stockwerke weniger gedrungen aussahen. Diese sind die Elemente, die die Häuser am stärksten charakterisieren, abgesehen von den ausgeprägten, rhythmischen Vor- und Rücksprüngen der Fassaden, die eine willkommenen Konsequenz der streng rationellen Grundrissplanungen war.

Nachdem die Planungsabteilung diese gut geplanten und gut funktionierenden Grundrisse ausgearbeitet hatte (die aber nicht nur für den Bau Perlachs dienen sollten), wurden die Häuserblöcke zusammengestellt, wobei anscheinend bis zum Ende Detaillösungen, wie die definitive Gestaltung der Balkonbrüstungen oder die Fensterrahmen-Aufteilung, geändert wurden. Bestimmt wurden die Elemente, die den „Standard“ darstellten, mit viel Mühe und Engagement geplant, um trotz der vielen Beschränkungen das Beste daraus zu machen, während man bei Sondersituationen eher oberflächlich war.

Ausführung

Die letzte und vielleicht problematischste Phase war die Ausführung. Es kam da nochmals zu Detailänderungen gegenüber der Planung, aber vor allen Dingen zu Lösungen von Problemen, die bei der Planung einfach nicht behandelt worden waren. Es sind dabei Details (wie die Badezimmerfenster an den Stirnseiten der Häuser) betroffen, Kontaktstellen zwischen zwei Häuserzeilen, aber auch die Balkonbrücken.

Da waren meiner Ansicht nach nicht immer Profis an Werk, es waren sehr wahrscheinlich nicht die Planer, denn hier wurde vieles schlampig oder nach anderen Architekturprinzipien gelöst, und der Eindruck von lieblos gebauten Häusern kam auf. Mir fiel z.B. ein Balkongeländer an der Balkonbrücke der Häuserzeile an der Siegfried-Mollier-Straße auf, das umgedreht eingebaut ist. Es kann aber auch die Konsequenz von hartem Zeitdruck, Personalmangel bei den Bauleitern und/oder von extrem rigorosen Kosteneinschränkungen gewesen sein.

Farbgestaltung

Nochmals getrennt wurde die Farbgestaltung von einem Baukünstler behandelt, der als Basis folgendes vorsah: hellgrau für den Putz (die Regel, mit wenigen Ausnahmen), weiß für alle glatten Betonelemente, weiß für die meisten Fensterrahmen, anthrazit für die Kellerwände, durchgehende vertikale anthrazitfarbige Streifen für Treppenhausfenster und deren Zwischendecken. Die Treppenhäuser selbst konnten sowohl weiß als auch hellgrau sein. Es gab dann farbige Flächen in den Rücksprüngen der Eingangsfassaden oder an den Hauswänden innerhalb der Balkone. Oft hatten in diesem Fall Fensterrahmen und die umgebende Wand dieselbe Farbe oder es wurden waagrechte oder auch senkrechte Streifen gemalt, um Fenstergruppen zu verbinden, typisch hierfür waren anthrazitfarbene Flächen, die die weißen Wohnzimmerfenster zu vertikalen Streifen verbanden. Es gab außerdem z.B. anthrazitfarbene Fensterrahmen mit ockerfarbenen Brüstungen, blaugraue Fensterrahmen innerhalb einer Wand derselben Farbe, graugrüne Fensterrahmen mit grau-lila Verbindungsstreifen u.a.

Viele Treppenfenster wurden schon gegen Mitte der 1970er-Jahre weiß umgestrichen, das war wohl praktischer instandzuhalten, und recht bald begann man auch, die verputzten Aufzugsräume auf den Dächern zusätzlich zu verschalen. Sandfarbe oder Ockergelb als Basisfarbe gab es bei nur wenigen Häusern.

Bautypen

Eine genauere Betrachtung der NH-Bautypen zeigt, dass sie, abgesehen von einem Punkthaustyp, alle Zeilenhaustypen sind. Es gibt aber nicht nur die NH-Wohnhäuser, sondern auch eine Vielfalt von Häusern, die von anderen Bauunternehmern geplant und gebaut wurden, die ich aber nicht so ausführlich behandeln kann wie die NH-Häuser. Ich kann da nur die Baugesellschaft „Terrafinanz“ und kirchliche Bauträger erwähnen, abgesehen von anderen mir unbekannten Privatgesellschaften.

Ein Typ Plattenbau-Punkthaus ist in zwei verschiedenen Höhen wiederholt vorzufinden (drei Häuser nördlich der Quiddestraße beim Seniorenheim Georg-Brauchle-Haus und weitere drei Häuser südlich der Quiddestraße, Nähe Lätarekirche); ein Zeilenhaus mit drei Wohnungen pro Treppenhaus in Plattenbauweise, das dem oben genannten NH-Dreispänner sehr ähnelt, ist auch wiederholt vorhanden (Nähe Ständlerstraße als neunteilige, am Adolf-Baeyer-Damm als zweiteilige, an der Kurt-Eisner-Straße als vierteilige und auch als zweimal zweiteilige Häuserzeilen). Wegen seiner vielen Detaillösungen, die den NH-Lösungen gleichen, könnte man auch ihn als einen NH- Bautyp ansehen. Zwölf Mal (in zwei fast gleichen Varianten) ist ein Platten-Punkthaus gebaut worden, immer nördlich der Quiddestraße und des Karl-Marx-Rings. Auch bei diesem Typ kann ich eine NH-Planung nicht ausschließen, da er schon lange vor dem Baubeginn Perlachs auf NH-Zeichnungen genau dargestellt wurde. Am Adolf-Baeyer-Damm steht ein großer Häuserzeilenkomplex mit Waschbetonfassaden, bei dem praktisch nur ein einziger Fenstertyp eingebaut wurde, seine monotonen Fassaden sind durchgehend horizontal gestreift.

Fassadengestaltung

Ich möchte noch auf eine sehr oft verbreitete Fassadengestaltung hinweisen, die man als einzige Alternative zu den oben genannten zwölf Platten-Punkthäusern nördlich der Quiddestraße und des Karl-Marx-Rings sieht (Postkarte 1, Bild E), sie ist in verschiedenen Höhen, dementsprechend mit oder ohne Aufzug, vorzufinden. Sie hat geradeläufige oder wenig gegliederte Fassaden (das heißt ohne die für NH-typischen starken vertikalen Vorsprünge), die durchgehend waagrecht gestreift sind, mit Streifen auf der Höhe der Fenster in grauem Spritzputz, die Höhe der Brüstungen in weißem, platten Putz. Auch die weißen Betonbalkone sind schlicht und bündig zu dem Gesamtvolumen der Häuser, als Ausnahme sieht man nur die Treppenhäuser als vertikale Elemente, ihre Stirnseiten sind fensterlos und ungegliedert.

Bei diesen Häuserzeilen ist es schwieriger, das einzelne Haus aus der Zeile herauszulesen, es sieht wie ein einziges langes Haus aus. Vier zehnstöckige Punkthäuser sind unmittelbar am Ostpark vorzufinden (Staudingerstraße), sie haben rundum weiße Balkone und graublaue Fassaden und teilen sich in zwei fast gleich aussehende Typen auf, einer von diesen hat überall dunkle Holzfensterrahmen mit Erkerfenstern an der Südseite, der andere hat große Wohnzimmer-Fenstertüren aus silbernen Alu. Solche Häuser stehen praktisch gleich – sie sind nur wenige Jahre älter (1963-69) – im Cosimapark, direkt vor dem Hallenbad, in einer eleganten Wohnanlage (Architekt: Ernst Barth).

Abschließend sei gesagt, dass mehrere Plattenbauhäuser, die nicht von der NH geplant wurden, als Farbbasis nicht Grau, sondern Sandfarbe hatten, aber sie sind architektonisch extrem schlicht und schmucklos, im Vergleich dazu sind die NH-Häuser wesentlich charakteristischer und besser gestaltet. Da die NH vor allen Dingen öffentlich geförderte Wohnungen gebaut hat (mit problematischeren Einwohnerschichten), die Privaten hingegen auf dem freien Markt zu vermietende Wohnungen (mit weniger sozialen Problemen bei den Einwohnern), war der Ruf der Wohngebiete in Proportion zu deren architektonischer Qualität aber komischerweise genau umgekehrt.

Formen in Perlach

In Perlach sind fast alle Häuser rechteckig, im Grundriss und in den Fassaden. Da gibt es überhaupt keine Dreiecksformen oder Bogenformen, und das hat mit dem überwiegend grauen Putz bestimmt viel zur Kritik an dieser Architektur beigetragen. Die einzigen Ausnahmen hierin sind der Grundriss des Quidde-Zentrum und der Block mit freifinanzierten Eigentumswohnungen zwischen Plett-Zentrum und Lätarekirche, der sowohl abgewinkelte Grundrisselemente als auch geneigte Treppenhausdächer hat. Auch das NH-Punkthaus hat nur zwei leicht geneigte Wohnzimmermauern hinter rechteckigen Balkonen.

Typ N. 5

Der am weitesten verbreitete Grundrisstyp in Perlach ist der Dreispänner (zwei 3-Zimmer-Wohnungen und eine 2-Zimmer-Wohnung pro Treppenhaus), den ich Typ N. 5 nenne. Dieser insgesamt symmetrische Bautyp ist in der sehr langen Häuserzeile des Quidde-Zentrum neun Mal vorhanden, bei der Lätarekirche mit Terrassenwohnungen und zusätzlichen Balkonen an der Eingangsseite vier Mal, ganz in der Nähe an der Albert-Schweitzer-Straße in drei niedrigeren Häuserzeilen insgesamt sechs Mal, an der Siegfried-Mollier-Straße in zwei gekoppelten, ähnlichen Häuserzeilen, drei plus fünf Mal (beide mit Terrassenwohnungen, aber in einer Zeile mit einer asymmetrischen Variante der mittleren Wohnung), zwischen Heinrich-Wieland-Straße und Kurt-Eisner-Straße vier Mal mit Atelierwohnungen.

Die Varianten sind folgend beschrieben und kommen untereinander in immer wieder verschiedenen Kombinationen vor: das Treppenhaus kann über das Haus herausragen oder mit dem Dach bündig sein, in zwei Fällen liegt der Aufzug vorne am Treppenhaus, normalerweise ist er rechts davon eingebaut. Auch die Gestaltung der Teilbedachung der Wohnungsterrassen ist in zwei Varianten vorzufinden und nur bei den oben genannten asymmetrischen Mittelwohnungen sind die Seitenwände ihrer Balkone nicht als Eckschutz gestaltet, wie sonst immer bei diesem Typ.

Man erkennt diesen Dreispänner generell am besten an seinen Balkonbrüstungen, alle mit Blumentrögen und mit charakteristischen, mächtigen Ecksichtschutzplatten, die bis eine Handspanne unter der darüber liegenden Decke reichen. Die Wohnzimmerseite ist frontal voll mit Balkonen „bedeckt“ wobei die mittlere Wohnung deutlich aus dem Hausprofil herausragt.

Dieser Grundriss kann alternativ einen Raum als Diele oder als Kinderzimmer in den Seitenwohnungen haben, man erkennt die Variante aber von außen (durch die Fenster der Eingangsseite) nicht. In vier jeweils gepaarten Wohnungen (zwischen Kurt-Eisner-Straße und Heinrich-Wieland-Straße) wurden die Elternschlafzimmer des Obergeschosses mit großen Fenstern und davorliegendem Balkon als Ateliers besonders gestaltet. Alle Terrassenwohnungen im obersten (achten) Geschoss entstanden aus dem Wegfall der mittleren, kleineren Wohnung, deren Fläche in gleich große Terrassen für die Seitenwohnungen aufgeteilt wurde. Endhäuser bekamen das Schlafzimmerfenster an ihre Stirnseite anstatt an der Eingangsseite, sofern es aber dann nicht nach Norden schaut.
Wo die Obergeschosse Sonderlösungen haben, wie Terrassenwohnungen oder Atelierwohnungen oder wo Balkone an der Eingangsseite vorhanden sind, ist dieser Typ mit zu den schönsten Häusern Perlachs geworden.

Typ N. 1

Ein weiterer Typ ist der Zweispänner N. 1 mit zwei 4-Zimmer-Wohnungen. Dieser Typ ist in einer Häuserzeile im Bereich zwischen Plettstraße und Quiddestraße drei Mal und zwischen Plettstraße und Plett-Zentrum nochmals drei Mal vorhanden. Er zeichnet sich als einziger Typ durch die großen Balkone und Fenster an der Eingangsseite aus, während die Balkone an der Wohnzimmerseite relativ klein sind. Es gibt bei diesen wenigen Häusern keine Varianten im Grundriss im Erd- oder Obergeschoss, außer einer Balkonbrücke (Postkarte 1, Bild A und Postkarte 2, Bild B). Die hier erstgenannte Häuserzeile war eines der ersten Gebäude Perlachs, das gegen 1980 mit Braun als Basisfarbe neubemalt wurde.

Typ N. 2

Der Zweispänner N. 2 hat wiederum zwei 4-Zimmer-Wohnungen, die aber sehr kleine Kinderzimmer haben (was auf die Dauer zu beengend geworden ist). Dieser Bautyp hat eine sehr stark profilierte Eingangsseite, mit vertikalen „Schluchten“, in denen sich die großen Dielenfenster befinden. Die Küchenfenster schauen hier nicht zur Vorderseite, sondern seitlich weg, eine solche Lösung gibt es nur bei diesem Typ. Die Balkonseite hat fast die ganze Breite bedeckende, aber in der Mitte zurückgesetzte Balkone, bei denen die Balkonbrüstungen als belebendes Element seitlich jeweils zirka 30 cm frei aus den Balkonen herausstehen. Wo sich die Balkonflächen der beiden Wohnungen berühren, wurde ein zentrales Betongitter als frontales, zusätzliches Trennelement auf die Brüstung gesetzt. Die Balkone sind als einzige der NH-Haustypen auf vertikale Betonelemente gebaut, die vor Ort gegossen wurden. Alle anderen Balkone sind ausschließlich aus Fertigteilen gebaut.

Dieser Typ ist im Quidde-Zentrum in der sehr langen Häuserzeile drei Mal zu sehen, ganz nahe bei der Quiddestraße zwei Mal, zwischen Quiddestraße und Plettstraße in zwei niedrigeren Häuserzeilen insgesamt sechs Mal, an der Kurt-Eisner-Straße in einer Häuserzeile zwischen den oben genannten Dreispännern zwei Mal, und hier wiederum in drei weiteren Häuserzeilen, kombiniert mit dem Plattenbau-Dreispänner, drei Mal, zwei Mal und noch zwei Mal.

Bei den niedrigeren Häusern zwischen Quiddestraße und Plettstraße und an der Kurt-Eisner-Straße wurde der Aufzug seitlich versetzt an die Hauswand gestellt, anstatt vor das Treppenhaus, was den Gesamteindruck zur Asymmetrie verändert, vielleicht wollte man hiermit das Tiefenmaß der Gebäude reduzieren. Auch bei diesem Haustyp gibt es bemerkenswerterweise sowohl das höhere Treppenhaus als auch das mit dem Hausdach bündig abschließende Treppenhaus. Es sieht fast aus, wie wenn man damit experimentieren wollte, oder es könnte mit leichten Höhenunterschieden im Baugrund zu tun haben, bei denen das höhere Treppenhaus über die erlaubte Höhe gegangen wäre. Obwohl sich die Badezimmer an den Stirnwänden befinden, gibt es hier nie Badfenster, vielleicht wegen der Rohrschächte, die an der Stirnwand liegen. Einige dieser Häuser haben aber ein zusätzliches quadratisches Wohnzimmerfenster, um die Stirnseiten zu beleben.

Typ N. 3

Der Zweispänner N. 3 hat zwei 3-Zimmer-Wohnungen und ist der kleinste Grundrisstyp. Er ähnelt an der Vorderseite dem oben genannten Dreispänner, ist aber kompakter und weist an der Rückseite große Ähnlichkeiten mit dem Zweispänner N. 1 auf, von dem er mit Mühe nur durch die kleinere Dimension und die Fensterrahmenaufteilung der Wohnzimmer zu unterscheiden ist. All dies erkennt man sehr gut entlang der (ehemaligen) „Spielstraße“ zwischen Plettstraße und Quiddestraße, wo diese Zweispänner N. 1 und N. 3 nebeneinander in zwei Häuserzeilen stehen. An der Vorderseite hat der Zweispänner N. 3 aber nie Balkone, da sieht man nur die gepaarten, quadratischen Kinderzimmerfenster und die Schlafzimmerfenster, abgesehen von den großen, frontalen Treppenhausfenstern. Er hat außer einer einzigen (vor Ort gegossenen; an der Quiddestraße) Balkonbrücke nie Varianten, aber an den Stirnseiten weist dieser Bautyp immer Badfenster auf.

Er steht in einer Häuserzeile zwischen Plettstraße und Quiddestraße fünf Mal, an der Quiddestraße als niedrigere Zeile drei Mal, an der Plettstraße dominant neben dem Plett-Zentrum sieben Mal in einer achtstöckigen Häuserzeile.

Dieser Typ ist wohl nur als Mietwohnung gebaut worden.

Typ N. 4

Der Zweispänner N. 4 ist in nur zwei gekoppelten Häuserzeilen, eine dreiteilige und anschließend eine fünfteilige, zwischen Quiddestraße (bei der Lätarekirche), Plett-Zentrum und Albert-Schweitzer-Straße vorzufinden. Er ist schon hierin, aber auch wegen seiner Gestaltung und Strukturierung eine Ausnahme in ganz Neuperlach und vielleicht sogar in München, wo meines Wissens keine ähnlichen Bauten vorzufinden sind.

Von außen ist der Haustyp in den Standardstockwerken streng symmetrisch, während die Wohnungen eine 3-Zimmer-Wohnung und eine 4-Zimmer-Wohnung sind, deren viertes Zimmer befindet sich in der Mitte des Grundrisses hinter dem Treppenhaus und wurde einfach mit einer Innentür dieser Wohnung zugeteilt. Dieser Zweispänner vom Typ N. 4 hat eine Reihe von Merkmalen: Sowohl die Eingangs- als auch die Wohnzimmerseite haben mit Ausnahme der Breite des mittleren Zimmers und des Treppenhauses durchgehende Balkone, diese sind in zirka 45°-Winkel bei der Mitte des Hauses abgeschlossen und die Brüstungen berühren hier die Hauswände. Auch die Wohnzimmerwände sind im 45°-Winkel gebaut, und die Treppenhausdächer sind geneigt. An der Eingangsseite sieht man Betongitter an den Balkonen, und das Treppenhaus ist nur bei diesem Zeilenhaustyp ganz in den Hausgrundriss eingelassen. Im obersten Stockwerk befinden sich außergewöhnliche, große Terrassenwohnungen, die sich über zwei Wohnungen von zwei nebeneinanderliegenden Häusern erstrecken. Nur die Endhäuser können wegen dieser Struktur keine Terrassenwohnungen haben, hier wurden bis ins Obergeschoss Standardwohnungen gebaut. Alles ergibt eine recht komplexe Struktur, die aber theoretisch endlos wiederholt werden kann und immer zu einer ungeraden Hausanzahl führt. Die Terrassenwohnungen sind großzügig und haben teilbedeckte große asymmetrisch eingebaute Terrassen, was aber auf der Wohnzimmerseite wegen einem durchgehenden Blende-Abschlussbalken kaum zu sehen ist. Da sie die Fläche von zwei Wohnungen belegen, geht nur jedes zweite Treppenhaus bis ganz oben, um jeweils zwei gespiegelte Terrassenwohnungen zu erschließen, die anderen Treppenhäuser brauchen das oberste Stockwerk nicht zu erreichen. Das sieht man von außen an einer unverwechselbaren Hoch-Tief-Alternanz der Treppenhäuser.

Es fällt auf, dass die Häuser auf den ersten Blick an den Zeilenenden halbiert aussehen, da jeweils zwei gespiegelte Wohnungen in aneinanderstehenden Nachbarhäusern ein komplett aussehendes Balkonmotiv bilden. Dieser Typ zeichnet sich auch durch besonders großzügige Verglasungen auf der Wohnzimmerseite aus, mit den großen Balkonen ergibt sich deshalb eine sehr „offene“ Architektur. Es bildet sich außerdem an der Wohnzimmerseite aus dem Zusammenspiel von schräger Wohnzimmerwand und ebenfalls schrägen Balkonbrüstungen ein wiederholtes, schönes „Wellenmotiv“, oder „Zylindermotiv“, auf doppelten Ebenen (Mauern und Balkone), das an den Stirnseiten aber abrupt endet und an den Endhäusern auch nach oben schlecht gestaltet ist. Insgesamt ist es aber ein gut gestalteter Typ, der in den Baudetails dem Standard Perlachs entspricht, aber aus einer ganz anderen, vielleicht älteren Konzeption stammt.

Die Stirnseiten haben immer Badfenster, die in eine vertikale, leichte Mauernische eingelassen sind. Ein einziges der vier Endhäuser ist eine leichte Variante des Standardtyps mit Änderungen am Kinderzimmerfenster und -Grundriss und mit einer Balkonbrücke, da an dieses Haus gleich zwei Häuserzeilen anschließen. Die fünfteilige Häuserzeile hat ein Geschoss weniger als die dreiteilige, sie steht höher und wäre vielleicht mit dem bei diesem Typ über-stockwerkshohen Aufzugsmaschinenraum über die Höhenbeschränkung hinausgegangen.

Diese Häuserzeilen wurden ausschließlich als freifinanzierte Eigentumswohnungen gebaut und 1970 mit dem „Ehrenpreis für guten Wohnungsbau“ ausgezeichnet, sie erhielten 1982 als erste Häuser Perlachs einen damals schockierenden Neuanstrich. Aus dem Grau wurde ein Rosa mit Balkonen in Weiß mit Rosastich, der heute noch gleich ist.

Bildteil

Postkarte 1

Postkarte 1
Postkarte 1 (ca. 1981); 8000 MÜNCHEN NEUPERLACH – Modernes Wohnzentrum im Osten Münchens. Vertrieb: Schreibwarengeschäfte im Marx-Zentrum – Graf-Zentrum – Plett-Zentrum. Links unten ist übrigens die Eisdiele (Container) an der Plettstraße zu sehen, die 2016 abgerissen wurde

t1Bild A: Eingangsseite von Typ N. 1 und Stirn-/Eingangsseite von Typ N. 5 beim Plett-Zentrum
Bild B: Oskar-Maria-Graf-Ring von der Fußgängerbrücke gesehen in Richtung Nord
Bild C: Dieselbe Fußgängerbrücke und neuere Variante des Typs N. 5, Richtung West
Bild D: Wohnzimmerseite von Typ N. 1 an der „Spielstraße“ mit Café und Sandgrube
Bild E: Platten-Punkthaus und gestreifte Wohnzimmerseiten nördlich des Karl-Marx-Rings
Bild F: Marx-Zentrum von Süd

Postkarte 2

Postkarte 2
Postkarte 2 (ca. 1981); 8000 MÜNCHEN NEUPERLACH – Modernes Wohnzentrum im Osten Münchens. Vertrieb: Schreibwarengeschäfte im Marx-Zentrum – Graf-Zentrum – Plett-Zentrum

Bild A: Kreuzung zwischen Karl-Marx-Ring und Kurt-Eisner-Straße/Hugo-Lang-Bogen
Bild B: Eingangsseite Typ N. 1, rechts Typ N. 5, Hintergrund links Typ N. 3, vor Plett-Zentrum. Ganz rechts am Parkplatz angeschnitten: Bürohaus Albert-Schweitzer-Straße
Bild C: Graf-Zentrum von Ost
Bild D: Graf-Zentrum von Nord, im Hintergrund Eingangsseiten von Varianten des Typs N. 5
Bild E: Zwischen Sudermann-Zentrum und Oskar-Maria-Graf-Ring, rechts Wohnzimmerseite der Variante von Typ N. 5, die auf Bild D rechts sichtbar ist.

Bild 1

Bild 1
An der Plettstraße (ca. 1989). Das Titelbild vom Artikelanfang. Foto: Bruno Tamborino

Wohnzimmerseite des Typs N. 5 mit den am schönsten gestalteten Terrassenwohnungen, rechts Stirn- und Wohnzimmerseite Typ N. 1. Die helle Fläche zwischen den Häusern ist die Rückseite einer Balkonbrücke, die ursprünglich waagrechte Schlitze hatte (Postkarte 1, Bild A). Beide Häuser sind in der zweiten Bemalung von 1980-82, die gelungen war und der Originalbemalung stark ähnelte. Die Basisfarbe war also nicht mehr Grau, sondern Braun und Graubraun, die Balkone waren zweifarbig (hellgrau/weiß).

Bild 2

Bild 2
An der Albert-Schweitzer-Straße (ca. 1989). Foto: Bruno Tamborino

Wohnzimmerseite des Typs N. 4 mit den 45°-Winkeln der Balkone und Wohnzimmerwände, die – wiederholt – einen schönen Rhythmus bilden. Die Trennung zwischen zwei Häusern befindet sich jeweils in der Mitte der Balkone.

Bild 3

Bild 3
Albert-Schweitzer-Straße, Nähe Lätarekirche (ca. 2001). Foto: Bruno Tamborino

Wohnzimmerseite des Typs N. 4 mit Terrassenwohnungen, zwei hohen und einem niedrigen Treppenhaus. Beim niedrigen Treppenhaus bemerkt man, dass oben ein Zimmerfenster wegen der Terrassenwohnungen fehlt.

Elemente aller NH-Haustypen

Folgend werde ich die Elemente, die aber alle NH-Haustypen Perlachs vereinigen, identifizieren:

Die Balkone sind alle aus erkennbaren, getrennten Fertigteilen in glattem Schalbetonguss und haben 103 cm hohe Brüstungen. Die 103 cm sind immer in 30 cm Balkonbasis, 10 cm Schlitz und 63 cm Balkonbrüstung aufgeteilt. Innen sieht man an den Brüstungen vertikale und horizontale Versteifungsbalken aus Beton, die auch die 63 cm hohe Brüstung mit dem 30 cm hohen Balkonboden verbinden, das heißt, sie bilden zwei/drei 10 cm hohe „Füße“ pro Brüstungselement. Darüber kommt immer das 25 cm hohe Alu-Geländer, das entsprechend der Betonelemente vertikal in Rechtecke geteilt ist und zwei horizontale 2 x 2 cm große Quadratprofile hat, mit Stützen, die den Betonfüßen darunter entsprechen (Bild 1 und Bild 2). Außen als Teil der Balkonbrüstung befindet sich oft ein 30 x 30 cm hoher und tiefer Betonblumentrog für die ganze Breite des betroffenen Brüstungsteils (Bild 1). Die Balkone sind bei den Zweispännern N. 1, N. 2 und N. 3 seitlich mit höheren, 10 cm dicken Sichtschutzplatten aus Beton abgeschlossen, die einen 20 cm hohen Schlitz unter dem darüber liegenden Balkon freilassen (außer im obersten Geschoss von vielen Häusern). Auch die Bodenplatten sind Betonfertigteile und in rechteckige Elemente geteilt. Es gibt beim Dreispänner Eck-Sichtschutzplatten, die 10 cm dick sind, der Tiefe der Balkone entsprechend und frontal 90 oder 100 cm breit (Bild 1). Beim Typ N. 2 und N. 4 gibt es Sichtschutzgitter aus Beton, die auf die Brüstungen aufgesetzt sind und aus vertikalen, untereinander verbundenen, 14 cm breiten Streifen bestehen, und schließlich einige nicht rechtwinkelige Balkonbodenelemente, die nur dem Zweispänner N. 4 angehören (Bild 2). Oft sind die Balkone schmal und lang, also schlecht benutzbar, sie sollten in diesen Fällen offensichtlich die Fassaden auch lebendiger gestalten (Bild 1 und Bild 2).

Eine weitere Charakteristik der NH-Häuser ist der raue, schlichte Spritzputz und die unverputzten Beton-Kellerwände.

Der obere Abschluss aller Häuser (mit Ausnahme der höheren Treppenhaus-Volumen) ist immer mit einer ca. 80 cm hohen weißen Betonumfassung definiert, die oben und unten Aluschienen als Witterungsschutz und als Tropfleiste hat. Diese Betonumfassung entspricht im Außenmaß genau der darunterliegenden Wand oder den darunterliegenden Balkonaußenmaßen und ist bemerkenswerterweise so eingebaut, dass die Fenster des obersten Geschosses davon für zirka 30 cm verblendet werden, das heißt die Fenster des obersten Geschosses sind zirka 30 cm niedriger als die der anderen Geschosse (Postkarte 1, Bild D). Dieses Motiv wurde gleich bis Anfang der achtziger Jahre in Neuperlach angewendet (Postkarte 1, Bild C). Die Keller der NH wurden alle so gestaltet, dass sie ca. 80 cm aus dem neu gestalteten Gartenniveau herausschauten. Auch die Fenster der Erdgeschosse sind niedriger als die der Normalgeschosse, da hier wiederum die zirka 30 cm hohen Rollladenkästen oberhalb der Fenster wie Mauer verputzt sind. Rollläden gibt es ganz rigoros nur im Erdgeschoss als Diebstahlschutz. Die Eingänge sind immer klein, habe eloxierte bleichgoldenen Türrahmen und Strukturglas, Holzbalkengriffe und große Betonvordächer mit Aluverblendung darum. Bei Balkonbrücken kann es zu Fenstern nur im Erd- und Obergeschoss von Wänden abseits der Balkonbrücken kommen, damit diese Fenster nicht von der Balkonbrücke beeinträchtigt werden.

Und wie sieht es heute in Perlach aus?

Ich sehe ehrlich gesagt die spröde, aber nicht fehlende architektonische Würde der Gebäude immer ernsthafter in Frage gestellt, bestenfalls durch vielleicht zu bunte Bemalungen, die die Architektur der Bauten schlicht ignorieren, schlimmstenfalls durch brutal alles überwälzende Wärmedämm- oder Wetterschutzummantelungen, bis zu Teil- oder sogar Totalabbrüchen und Umbauten, alles im Namen des „Fortschrittes“. Ob man dann so stark „fortschreitet“, wie man sich verspricht, bleibt offen, manchmal wäre weniger sicher mehr!

Solche großen, verputzten Baukörper (25 Meter hoch, bis 300 Meter lang) sind in den heutigen, hellen Regenbogenfarben unnatürlich und sahen in den neutraleren, aber durch starke Hell-dunkel-Kontraste gut charakterisierenden Farben der Ursprungszeit besser aus, die Architektur wurde so wesentlich wirkungsvoller zur Geltung gebracht. Gegen das ehemalige öde Grau könnte man mit Farben aus der Natur gut Abhilfe schaffen, diese Baumassen ähneln in ihren Volumen Gebirgen oder großen Felsen und sollten von diesen eine kohärente (architekturgebundene) Farbinspiration beziehen (Vorschlag von B. Krehan aus Perlach), z.B. die Farben Braun, Ocker, Dunkel- und Hellgrau, Dunkel- und Hellgrün sowie Schneeweiß.

Auch die mittlerweile üppige Vegetation kann die Häuser stark verstecken und beschatten, sie kann im Fußgängerbereich ein fehlendes Sichtfeld und ein fehlendes Sicherheitsempfinden verursachen, auch der getrennt gehaltene Autoverkehr trug schon immer dazu bei. Dass die Erdgeschosse als reine Wohngeschosse gestaltet sind, tut nochmals das Seine, man hat da noch weniger urbanes Sicherheitsempfinden, sowohl an den eingangs- und durchgangslosen Wohnzimmerseiten als auch auf der Seite der immer noch sehr nüchternen Eingänge. Hieran könnten einige Änderungen erwägt werden, auch die Norm-Obergeschosse könnten manchmal als Gebäudeabschlüsse behutsam umgestaltet werden.

Wenn jetzt die Subzentren Perlachs immer mehr verkommen, sollte man sich als Bewohner Neuperlachs auch mal fragen, wie sehr das pep eigentlich (in seinem heutigen Ausmaß) Neuperlach wohltut. Jedes Subquartier sollte deshalb vielleicht sein unmittelbares Umfeld stärker behüten und in Schutz nehmen.

Insgesamt wäre vielleicht eine alle Besitzer und Bewohner vertretende und vereinigende Interessengemeinschaft Perlach/Neuperlach nützlich, die die Neue Heimat heute als Koordinator ersetzten könnte und die Würde Neuperlachs baulich und gesellschaftlich führen sollte, zuallererst mit einem Gesamtplan in Richtung einer bestandserhaltenden moderierten Modernisierung und indem man z.B. bestimmte „Filmproduktionen“ in Perlach unterbindet, die man sehr gut anderswo drehen kann.

Ein gesunder Stolz auf seinerzeit vorbildliche und ausgezeichnete Wohnensembles darf da seitens der heutigen Besitzer und Bewohner nicht fehlen und könnte der Beginn einer berechtigten, starken Aufwertung Neuperlachs sein.

Im Jahr 2011

Bruno Tamborino
bruno.tam15@gmail.com

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Architektur Baustellen Bilder Historisches Marodes Sanierung/Abriss/Bau

Rückblick auf den Abriss von St. Jakobus (2012)

St. Jakobus
St. Jakobus vor dem Abriss. Zu diesem Zeitpunkt war das Gebäude bereits wegen Einsturzgefahr gesperrt (19.11.2011) © Thomas Irlbeck

Inzwischen sind eine ganze Reihe von Gebäuden verschwunden, die unser Neuperlach geprägt haben. Etwa der ehemalige Sitz der Neuen Heimat am Plett-Zentrum nebst integriertem Ladenzentrum, das Bürohaus Peschelanger 3 und die Kleiderfabrik „Bruestle Textilien“ an der Nawiaskystraße. Auch die Kirche St. Jakobus am Quidde-Zentrum nebst zugehörigem Kindergarten ist dem Abrissbagger zum Opfer gefallen. Am Standort der Kirche wurde der neue Kindergarten gebaut. Dort, wo sich der Kindergarten befand, entstand das neue St. Jakobus. Beide tauschten also gewissermaßen die Plätze. Der neue Bau ist weit kleiner, um der sinkenden Zahl an Kirchengängerm gerecht zu werden, und wurde zunächst als Kapelle geplant, aber dann doch als Kirche eingeweiht (2019): Reinhard Kardinal Marx weiht neue Kirche St. Jakobus am Quidde-Zentrum ein

St. Jakobus musste gehen, da der Bau marode geworden war. Erst einmal gab es massive Betonschäden, sodass eine sehr aufwendige Betonsanierung notwendig gewesen wäre. Sogar Einsturzgefahr wurde dem Gebäude attestiert. Ferner sollen die Dachträger den Anforderungen des Brandschutzes nicht mehr genügt haben. Erschwerend kam hinzu, dass der Bau mit Formaldehyd und Asbest belastet war, berichtete die Süddeutsche Zeitung am 10.03.2012. Eine Sanierung wurde aus Kostengründen verworfen. Es gab damals aber auch Stimmen, die behaupteten, der Zustand von St. Jakobus sei nicht so schlimm gewesen und das Gebäude hätte sehr wohl mit vertretbarem Aufwand gerettet werden können.

Bereits im Dezember 2011 wurde die Kirche aus Sicherheitsgründen geschlossen. Der Abriss begann im November 2012. Die Bilderstrecke zeigt St. Jakobus vor und während des Abrisses.

Abriss

Der Abriss ging schnell. Am 18. November wurde die erste Wand eingerissen, am 20.12.2012 war bereits fast nichts mehr übrig von dem Bau.

Abriss St. Jakobus
St. Jakobus vor dem Abriss (02.10.2012). Foto: Georg und Marcus Pantel
Abriss St. Jakobus
„Hier stirbt die Kirche“ ist zu lesen, wie wahr! (25.10.2012). Foto: Georg und Marcus Pantel
Abriss St. Jakobus
Das Gebäude sieht an dieser Stelle noch intakt aus, aber das täuscht … (18.11.2012) Foto: Benedikt Bast
Abriss St. Jakobus
… denn die erste Wand ist bereits weg (18.11.2012) Foto: Benedikt Bast
Abriss St. Jakobus
Abriss St. Jakobus (18.11.2012) Foto: Benedikt Bast
Abriss St. Jakobus
Abriss St. Jakobus (21.11.2012). Foto: Georg und Marcus Pantel
Abriss St. Jakobus
Abriss St. Jakobus (23.11.2012). Foto: Georg und Marcus Pantel
Abriss St. Jakobus
Abriss St. Jakobus (23.11.2012). Foto: Georg und Marcus Pantel
Abriss St. Jakobus
Abriss St. Jakobus (23.11.2012). Foto: Georg und Marcus Pantel
Abriss St. Jakobus
Abriss St. Jakobus (25.11.2012) Foto: Benedikt Bast
Abriss St. Jakobus
Abriss St. Jakobus (25.11.2012) Foto: Benedikt Bast
Abriss St. Jakobus
Abriss St. Jakobus (25.11.2012) Foto: Benedikt Bast
Abriss St. Jakobus
Abriss St. Jakobus (26.11.2012). Foto: Georg und Marcus Pantel
Abriss St. Jakobus
Abriss St. Jakobus (03.12.2012) Foto: Benedikt Bast
Abriss St. Jakobus
Abriss St. Jakobus (03.12.2012). Foto: Georg und Marcus Pantel
Abriss St. Jakobus
Abriss St. Jakobus (03.12.2012). Foto: Georg und Marcus Pantel
Abriss St. Jakobus
Abriss St. Jakobus (03.12.2012). Foto: Georg und Marcus Pantel
Abriss St. Jakobus
Abriss St. Jakobus (03.12.2012). Foto: Georg und Marcus Pantel
Abriss St. Jakobus
Abriss St. Jakobus (03.12.2012). Foto: Georg und Marcus Pantel
Abriss St. Jakobus
Abriss St. Jakobus (07.12.2012) Foto: Benedikt Bast
Abriss St. Jakobus
Abriss St. Jakobus (07.12.2012) Foto: Benedikt Bast
Abriss St. Jakobus
Abriss St. Jakobus (07.12.2012) Foto: Benedikt Bast
Abriss St. Jakobus
Abriss St. Jakobus (16.12.2012) Foto: Benedikt Bast
Abriss St. Jakobus
Abriss St. Jakobus (16.12.2012) Foto: Benedikt Bast
Abriss St. Jakobus
Abriss St. Jakobus (16.12.2012) Foto: Benedikt Bast
Abriss St. Jakobus
Abriss St. Jakobus (20.12.2012) Foto: Benedikt Bast

Die neue Kirche

Am Ende darf der Nachfolger nicht fehlen. Die neue Kirche ist kleiner. Sie hat mit alten Bau den hohen Anteil an Sichtbeton (Brutalismus) gemeinsam.

St. Jakobus
Das neue St. Jakobus drei Tage vor der Einweihung. Wie weiter oben  beschrieben, steht die Kirche nicht an der gleichen Position wie die alte Kirche, sondern gegenüber, wo früher der Kindergarten war. Kirche und Kindergarten tauschten die Plätze (06.02.2019) © Thomas Irlbeck